Zum Hauptinhalt springen

"FGM" als neue englische Krankheit

Von Werner Stanzl

Gastkommentare
Werner Stanzl ist Publizist und Dokumentarfilmer.

24.000 Mädchen unter 15 Jahren sind in diesen Sommerferien von Genitalverstümmelungen religiöser Fanatiker bedroht - und die Nation trinkt Tee.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

In England tobt ein Kampf der Kulturen. Nicht zwischen Arm und Reich, nicht zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, sondern zwischen Moslems und Moslems.

Oberflächlich kaum wahrnehmbar, gibt es in Grabenkämpfen ein Hauen und Stechen. Auf der einen Seite die Fundamentalisten, ausgestattet mit den Personalreserven einer zukunftslosen moslemischen Jugend und üppigen Spenden von ausländischen Konten. Auf der anderen Seite die Westmoslems, Einwanderer, die sich in allem angepasst haben, außer in ihrer Religion. Wobei sich diese mit ihnen veränderte. Sie ist moderater geworden, nach Gesetzen, die seinerzeit die Vorgaben des Kreml als Eurokommunismus domestizierten.

Doch die Chancen der Euromoslems stehen schlechter als die der seinerzeitigen Eurokommunisten, was von uns als Bedrohung zu werten ist. Dazu zwei Proben aus dem englischen Diarium der Gegenwart.

Da sieht sich das Unterrichtsministerium in London angesichts der bevorstehenden großen Sommerferien veranlasst, im Rundschreiben an alle Schuldirektionen vor "FGM" zu warnen. Und die "Times" etwa titelt: "Ministerium ermahnt Schulen, Mädchen vor FGM in den Sommerferien zu schützen."

Just der Gebrauch der Abkürzung in der Schlagzeile stimmt nachdenklich. Er ist nur sinnvoll, wenn eine möglichst große Zahl der Leser weiß, was mit den drei Buchstaben gemeint ist. Es darf/muss also angenommen werden, dass "FGM" in England - was immer es auch sein mag - im wahrsten Sinn des Wortes populär ist. Für den Kontinentaleuropäer, selbst für den Anglisten unter ihnen, darf gelten, dass er das Kürzel nicht kennen muss. Noch nicht!

"FGM" steht nämlich für "female genital mutilation" (Genitalverstümmelung an Frauen). Sie ist unter den Nachkommen der Ritter der Tafelrunde bereits so weit verbreitet, dass drei Buchstaben genügen, um sich darüber auszutauschen. Laut Ministerium sind geschätzte 24.000 Mädchen von der religiösen Tortur bedroht - nicht irgendwo südlich des Maghreb, sondern allüberall zwischen Sussex und dem schottischen Hochland.

"FGM" als neue englische Krankheit also? Eher zu viel Gelassenheit beim Teetrinken. Denn der Warnung an die Schulleitungen folgte zwei Tage später bereits eine neue Dienstanweisung: Es gelte einer "Kultur der Angst und Einschüchterung" (Zitat Office for Standards in Education) durch islamische Fundamentalisten unter den Lehrern entgegenzutreten. Sie würden ethische Grundsätze aufheben, verkehren oder dem Islam anpassen. Nicht akzeptabel sei, dass Schüler, die im Sinne solcher Lehrer gegen glaubenslose oder andersgläubige Mitschüler mobben, mit Sonderflügen nach Saudi-Arabien belohnt werden.

Wohl ist Toleranz eine Tugend, und den verstümmelten Mädchen gilt sehr wohl das Mitgefühl der Nichtbetroffenen. Ach ja, und das Ministerium tut ja auch etwas - es warnt. Unter dem Strich stehen aber dann doch zu viel Stoizismus gegen die Auswüchse fremder Kulturen und der Beweis, dass sich auch Toleranz bis zum Fanatismus steigern lässt.

Dazu aus dem Lexikon: ". . . Phänomen, bei dem Teilaspekte des Lebens idealisiert, das heißt emotional übermäßig hoch bewertet werden . . ."