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Mit der Verschmelzung wird Fiat/Chrysler siebtgrößter Autokonzern.
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Mailand/Detroit. Sergio Marchionne hat es wieder einmal geschafft: Die Fiat-Anleger feierten am ersten Handelstag des neuen Jahres die am Vorabend bekanntgegebene Komplettübernahme der US-Tochter Chrysler mit einem Kursfeuerwerk - die Fiat-Aktien schossen an der Börse in Mailand um 15 Prozent auf 6,84 Euro nach oben. Der krisengeschüttelte italienische Autobauer hat dem gewerkschaftsnahen US-amerikanischen Pensionsfonds Veba für dessen 41,5-prozentigen Chrysler-Anteil 3,65 Milliarden Dollar gezahlt.
"Wir dachten, sie müssten viel mehr zahlen", sagte ein Londoner Analyst einer großen Investment-Bank. "Aber Marchionne hat einen großartigen Deal eingefädelt und braucht jetzt nicht einmal eine Kapitalerhöhung." Es gab aber auch kritische Stimmen: So werde Fiat nach Abschluss des Deals zehn Milliarden Euro Schulden haben - so viel wie kein anderer Autobauer in Europa.
Der von der Absatzkrise in Europa - und vor allem im weiter schrumpfenden Heimmarkt Italien - besonders schwer getroffene und Verluste schreibende Autobauer Fiat kann nun die Kräfte völlig mit dem zuletzt wieder hochprofitabel arbeitenden drittgrößten US-Autohersteller bündeln. Beide Firmen arbeiten bei Entwicklung, Händlernetz, Einkauf und Management schon eng zusammen. Die Komplett-Übernahme soll aber weitere Größenvorteile bringen, zumal beide Unternehmen nun ihre Kassen nicht mehr trennen müssen.
Fiat war 2009 nach der von der US-Regierung abgesicherten Insolvenz zunächst kostenlos bei Chrysler eingestiegen und hatte seine Beteiligung nach und nach auf 58,5 Prozent aufgestockt. Die anderen Anteile hielt der gewerkschaftsnahe Fonds Veba.
Langer Streit um den Preis
Über den Wert dieses Anteils wurde monatelang heftig gestritten. Veba verlangte Insidern zufolge mehr als fünf Milliarden Dollar und nutzte zwischenzeitlich sogar eine Option, die Chrysler zwang, einen Börsengang anzustreben und so auf diesem Weg einen Marktpreis ermitteln zu können. Ein Chrysler-IPO, der für Marchionne eine weitere Verzögerung der von ihm schon seit 2009 angestrebten Fusion bedeutet hätte, ist nun endgültig abgeblasen.
Nach langem, hartem Poker legt der 61-Jährige, stets im Pullover auftretende Fiat-Chef Marchionne nun insgesamt 4,35 Milliarden auf den Tisch. Veba erhält 3,65 Milliarden Dollar in bar - 1,9 Milliarden davon kommen als Sonderausschüttung von Chrysler selbst, 1,75 Milliarden von Fiat - sowie nach dem für 20. Jänner geplanten Abschluss der Transaktion weitere 700 Millionen Dollar über drei Jahre hinweg.
Chrysler wurde für Fiat seit einiger Zeit immer wichtiger. Im dritten Quartal stieg der Gewinn des US-Autobauers um 22 Prozent auf 464 Millionen Dollar, der Umsatz legte um fast 14 Prozent auf 17,6 Milliarden Dollar zu. Seit 2009 ist der Chrysler-Absatz in Nordamerika um gut 50 Prozent gestiegen. Mit der vollständigen Verschmelzung wird die Fiat/Chrysler-Gruppe mit weltweit 215.000 Mitarbeitern und 84 Milliarden Dollar Jahresumsatz zum siebtgrößten Autobauer der Welt, hinter Nissan und vor Honda. Sie verkaufte 2012 zusammen 4,5 Millionen Fahrzeuge. Zu den Konzern-Marken gehören unter anderen Ferrari, Maserati, Alfa Romeo, Lancia, Dodge und Jeep.
"Ganz klar US-fokussiert"
"Das ist jetzt ganz klar ein US-fokussiertes Unternehmen, denn in Europa und ganz besonders in Italien bleibt das Geschäft äußerst schwierig", sagte Andrea Giuricin, Auto-Fachmann an der Universität Bicocca in Mailand. "Fiat hat schon viel Marktanteil in Europa verloren, es wird schwer, diesen zurückzugewinnen."
Die italienischen Gewerkschaften fürchten seit einiger Zeit, dass der Zusammenschluss den Umzug des Firmensitzes in die USA einläutet. Fiat verkaufte in den ersten elf Monaten 2013 in der EU um 56.000 Autos weniger als vor Jahresfrist, der Marktanteil sank von 6,5 auf 6,2 Prozent. Doch obwohl Fiat inzwischen in Italien so wenig Autos wie zuletzt in den 1970er Jahren absetzt und schon seit 2010 nur mehr jedes Vierte seiner Autos im Heimatland baut, hat Marchionne Politikern und Gewerkschaften in Italien stets versichert, keine Werke zu schließen und 2016 schwarze Zahlen zu schreiben.
In einem Brief an die Mitarbeiter hatte Marchionne jüngst bekräftigt, dass Fiat bis 2016 neun Milliarden Euro in Europa investieren wolle, einen Gutteil davon in Italien. Dort sollen vor allem die im höheren Marktsegment angesiedelten Marken Alfa Romeo und Maserati gestärkt und für den Weltmarkt produziert werden, schrieb Marchionne. Und: "Viele Vorteile entstehen dank der Allianz mit Chrysler."