Reicher Philanthrop wird zur Bedrohung für sozialistischen Premier.
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Am Samstag findet in der Slowakei die Stichwahl um das Präsidenten-Amt statt, die "Wiener Zeitung" hat in Bratislava mit dem Politologen und Uni-Dozenten Martin Klus gesprochen.
"Wiener Zeitung": Premier Robert Fico war als Kandidat bei der Präsidenten-Wahl haushoher Favorit. Nach der ersten Runde ist sein Sieg zumindest stark in Frage gestellt. Hat Fico mit der Entscheidung, für das höchste Amt im Staat zu kandidieren, den größten politischen Fehler seines Lebens begangen?
Martin Klus: Ich glaube, Fico hat diese Entscheidung schon mehrmals bereut. Denn egal ob er gewinnt oder verliert, die Auswirkungen für seine Partei sind negativ. Wenn er gewinnt, muss er die Parteimitgliedschaft zurücklegen, denn von einem Präsidenten wird erwartet, dass er für alle Slowaken da ist. Aber seine sozialdemokratische Smer braucht ihn dringend, damit er die Partei vor dem Zerfall bewahrt. Wenn er die Wahl verliert, wäre es klar eine Blamage, ein negatives Signal.
Eine "Lose-lose-Situation" also. Aber Fico ist ein erfahrener Politiker. Warum hat er sich auf die Sache überhaupt eingelassen?
Fico hat zunächst einmal begriffen, dass er bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2019 keine Chancen haben wird, weil er jetzt schon als Premier offenbar nicht mehr sonderlich populär ist. Möglich ist auch, dass er das Amt des Premiers elegant loswerden will, weil er Probleme erwartet. Aber er hat offiziell dazu nicht Stellung bezogen.
Er will sich also in eine prestigeträchtige aber eher bedeutungslose Funktion zurückziehen . . .
. . . man darf vor allem nicht übersehen, dass sich die Slowakei in Richtung eines präsidentiellen politischen Systems zubewegen würde, sollte Fico Erfolg haben.
Das heißt, die Funktion des Premiers würde dann ein Fico-Intimus übernehmen, Fico selbst wäre Staatsoberhaupt und durch die erweiterten Möglichkeiten mächtiger denn je?
Wir können nicht sicher sein, ob die slowakische Verfassung nicht demnächst geändert wird. Fico hat angedeutet, dass die Funktion des Präsidenten bald stärker sein wird, als man in der Slowakei gemeinhin annimmt. Später hat er behauptet, das so nicht gemeint zu haben. Aber die meisten politischen Analysten glauben jetzt, dass er in Richtung eines semi-präsidentiellen Systems steuert. Es gibt Anzeichen für eine christdemokratisch-sozialistische konstitutionelle Koalition, über die Fico großen Einfluss nehmen könnte, wenn er gewählt wird. Und es wird davon ausgegangen, dass dieselbe Koalition Kiska, sollte er gewinnen, in seiner Macht beschränken würde.
Stichwort Kiska: Er ist die große Überraschung dieser Wahl, hat im ersten Durchgang mit 24 Prozent der Stimmen nur 4 Prozent weniger als Fico erhalten und gute Chancen, die Stichwahl zu gewinnen. Kann man Kiska mit dem Phänomen Andrej Babi in Tschechien vergleichen? Und warum ist er bei den Wählern so populär?
Kiska ist zum Teil mit Babi vergleichbar, aber Kiska ist geschäftlich nicht mehr aktiv. Er betreibt nur noch das wohltätige Projekt "Guter Engel", das hat aber nichts mit seinen ursprünglichen Geschäften zu tun.
Fico versucht, Kiska als zwielichtige Figur zu porträtieren, über die nichts bekannt ist und deren Motive völlig im Dunkeln liegen. Worum geht es diesem Mann tatsächlich?
Ich glaube nicht, dass Kiska geschäftliche Interessen verfolgt. Wie die meisten Geschäftsmänner in der Slowakei ist er von sich selbst sehr überzeugt. Er glaubt, dass er die Gesellschaft ändern kann. Er hat das Wohltätigkeits-System "Guter Engel" gegründet, das läuft jetzt gut; er selbst wird dort nicht mehr als Person gebraucht. Jetzt will er sich größeren Aufgaben zuwenden, er tritt für mehr Bürgerrechte in der ganzen Slowakei ein - das ist seine offizielle Begründung. Ich glaube, hier ist er aufrichtig, denn ich sehe keine Lobby-Organisation, die ihn vorschickt. Vielleicht ist er deshalb so populär und hat es in die zweite Runde geschafft.
Er ist so populär, weil ihm nicht der Geruch des Politikers anhaftet?
Ja, er vermittelt das Bild, dass er nicht korrumpierbar ist.
Aber er hat auch keine politische Hausmacht, was ihn zu einem schwachen Präsidenten machen würde.
Das ist es auch, was Fico immer ins Treffen führt. Aber das Amt des Präsidenten ist mächtiger, als die Menschen hier in der Slowakei meinen. Er kann Gesetze zurückschicken und sich so als Advokat des Volkes präsentieren. Das ist etwas, was (der scheidende Präsident, Anm.) Gaparovic fast nicht getan hat.
Was sind eigentlich genau die Gründe für den relativen Misserfolg Ficos in der ersten Wahlrunde?
Die Menschen fürchten sich vor zu großer Machtkonzentration, das ist für viele nicht akzeptabel, schon wegen der kommunistischen Vergangenheit der Slowakei. Viele denken, dass Fico zuerst seine Amtszeit als Premier beenden und erst dann für das Amt des Präsidenten kandidieren sollte. Die Menschen verstehen nicht wie einer, der im Parlament eine große Mehrheit hat und ohne Koalitionspartner regiert, jetzt auch noch Präsident werden will. Das ist etwas, was die Fico-Anhänger nicht verstehen, wohlgemerkt.
Wer wird eigentlich Premier, sollt es Fico nicht mehr sein?
Das hat er nicht verraten und das trägt ebenfalls zur Skepsis der Wähler bei. Er erklärt nicht, wer sein "Medwedew" sein wird.
Vergleichen Sie Fico mit Putin?
In gewisser Weise schon.
Aber er wird nicht in Österreich einmarschieren und Teile des Landes annektieren, oder?
In manchen Bereichen ist Fico der gleiche Populist wie Putin.
Der Wahlkampf wurde zuletzt sehr schmutzig geführt, es gibt Vorwürfe, dass Kiska Mitglied von Scientology ist. Ist da etwas dran?
Ich glaube, dass Kiska als Geschäftsmann mehr oder weniger in Kontakt mit Scientology gekommen ist. Scientology ist in Geschäftskreisen sehr aktiv. Aber ich glaube nicht, dass er Mitglied dieser Kirche ist.
Sollte dieses unbeschriebene Blatt Kiska gewählt werden, ist dann nicht die Gefahr groß, dass es ein böses Erwachen gibt?
Deshalb ist ja die Zahl der Nicht-Wähler so hoch. Sie wollen nicht für Fico stimmen, der ist unbeliebt, vor allem bei den Jungen. Aber viele meiner Studenten etwa wollen auch Kiska nicht wählen, weil sie nichts über ihn wissen. Sie wissen nicht, was er für einen Standpunkt in Fragen der internationalen Politik einnehmen wird.
Hier in der Slowakei sind Wetten auf Sieg oder Niederlage äußerst beliebt. Auf wen sollte ich Ihrer Meinung nach mein Geld setzen: Fico oder Kiska?
Ich würde sagen, Kiska gewinnt zu 55 Prozent, Fico zu 45 Prozent. Kiska hat zuletzt auch die Unterstützung der Kandidaten bekommen, die in der ersten Runde ausgeschieden sind.
Richten wir den Blick in die Zukunft: Welchen Weg wird die Slowakei in den nächsten Monaten einschlagen?
Da werden die Europa-Wahlen entscheidend sein. In den meisten umliegenden Ländern haben die keine große Bedeutung, bei uns schon. Für viele kleine Parteien wie die Liberalen und neue Parteien ist es eine Bewährungsprobe. Wenn sie die 5-Prozent-Hürde nicht nehmen, wird auch künftig niemand mehr mit ihnen rechnen. Es ist aber davon auszugehen, dass sich nach der EU-Wahl eine neue Sammelbewegung in der Mitte bilden wird. Und das wird das Parteiensystem ändern. Die regierende Partei wird künftig einen Koalitionspartner brauchen, etwa die Ungarn-Partei, oder die Christdemokraten. Diese Legislaturperiode ist meiner Meinung nach die letzte, in der die Regierung von einer einzigen Partei bestritten wird.