Zum Hauptinhalt springen

"Fico wird Neuwahl anstreben"

Von Michael Schmölzer

Politik

Slowakischer Ex-Premier fühlt sich im Mordfall Kuciak rehabilitiert - und könnte versuchen, die Gunst der Stunde nutzen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. Sieben Monate nach dem Mord am slowakischen Investigativ-Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnirova sind die Ermittlungen offenbar in der entscheidenden Phase. Die Polizei habe aller Wahrscheinlichkeit nach den oder die Auftragsmörder festgenommen, hieß es seitens der slowakischen Behörden. Demnach wurden in der Nacht auf Donnerstag in der Südslowakei insgesamt acht Personen festgenommen, mehrere Hausdurchsuchungen in der Kleinstadt Kolarovo waren am Donnerstag noch im Gange.

Eine der Razzien wurde im Haus eines ehemaligen Polizisten durchgeführt. Bei der Person, die zuletzt als Wachmann arbeitete, handelt es sich nach Ansicht der slowakischen Fahnder um den mutmaßlichen Doppelmörder, wie die "Wiener Zeitung" in Erfahrung bringen konnte.

Politische Konsequenzen

Die jüngsten Entwicklungen im Mordfall Kuciak werden politische Konsequenzen haben. Denn der Doppelmord am 21. Februar in Velka Maca hatte in der Slowakei ein politisches Erdbeben zur Folge. In Bratislava kam es zu den größten Massenprotesten seit der Wende 1989. Zehntausende versammelten sich auf den Straßen und klimperten mit ihren Haustorschlüsseln, um den Rücktritt der Regierung unter dem Sozialdemokraten Robert Fico (Smer) zu fordern. Tatsächlich räumten Innenminister Robert Kalinak und Premier Fico in der Folge ihre Ämter. Auch Polizeipräsident Tibor Gaspar musste dem Druck der Straße weichen, er wurde ebenso abgelöst wie der Chef der Antikorruptionseinheit der Polizei, Robert Krajmer. Ein Sonderstaatsanwalt musste ebenfalls gehen.

Kuciak hatte im Internetportal Aktuality.sk, das zum Medienkonzern Ringier Axel Springer Slovakia gehört, immer wieder über mutmaßlichen Steuerbetrug berichtet. Der 27-Jährige hatte dabei auch prominente Unternehmen ins Visier genommen, die seinen Recherchen zufolge Geschäftsverbindungen zu den regierenden Sozialdemokraten und zu Kreisen der organisierten Kriminalität hätten.

Die Proteste und die Wut nach der Ermordung Kuciaks richteten sich gegen ein korruptes politisches System, dem auch Kontakte zur Mafia nachgesagt werden. Wie der slowakische Investigativjournalist und Autor Milan Zitny der "Wiener Zeitung" bestätigte, hat sich der Verdacht, dass der Mord von politischer Seite angeordnet sein könnte, vorerst zerschlagen. Für seine letzte Geschichte für Aktuality.sk berichtete Kuciak zwar über den Verdacht des Steuerbetrugs in Verbindung mit einem Komplex von Luxuswohnungen in Bratislava, und der Projektentwickler hatte beste Verbindungen in die Politik, doch diese Spur verlief im Sand. Vermutungen, wonach die italienische Mafia ihre Finger mit im Spiel gehabt haben soll, hätten sich aufgelöst, so Zitny.

Drogengeschäfte?

Einiges weise jetzt darauf hin, dass Kuciak skrupellosen Drogenhändlern in die Quere gekommen sei. Banden mit ausländischer Beteiligung, die im Süden der Slowakei ihren kriminellen Geschäften nachgingen. Sollte sich das bestätigen, wäre Ex-Premier Fico zumindest in seinen Augen wohl voll rehabilitiert. Die Meldung von den Festnahmen in der Nacht auf Donnerstag sorgte bei den regierenden Sozialdemokraten von der Smer-Partei jedenfalls für große Erleichterung: "Die Aufklärung und Bestrafung der Täter in diesem Fall ist eine der Prioritäten meiner Regierung. Ich bin sehr froh, dass Strafrechtsorgane jetzt handeln", so Premier Peter Pellegrini, der Fico nach den Protesten im Amt abgelöst hat.

Zitny geht jetzt davon aus, dass Fico, der starke Mann im Hintergrund, der immer noch die Parteiführung innehat, im Lichte der jüngsten Entwicklungen Neuwahlen anstreben wird. Das Amt des Premiers komme für ihn aber nicht mehr in Frage. "Smer liegt in den Umfragen stabil bei 20 Prozent Zustimmung", sagt Zitny, "die Konkurrenz ist weit abgeschlagen." Die jüngsten Entwicklungen im Fall Kuciak kämen einem Turbo für die Sozialdemokraten gleich.

Zeitgleich herrsche im Land weiterhin eine große Unzufriedenheit mit der politischen Lage, betont Zitny. In der Tat ist die Slowakei kein europäisches Musterland. Erst vor etwas mehr als einer Woche besuchte eine EU-Delegation Österreichs östlichen Nachbarn und zeigte sich über den Zustand des slowakischen Rechtsstaates besorgt. Die EU-Abgeordnete und Delegationsleiterin Sophia Veld meinte vor Journalisten, es gebe große Bedenken bezüglich Korruption, Interessenkonflikten und Straflosigkeit von Politikern. Konkret kritisierte die niederländische Alde-Politikerin, dass Amtsträger, die wegen Korruptionsverdachts oder anderer Verfehlungen von einer Funktion zurücktreten mussten, kurz danach eine andere Führungsposition erhielten.

Zweifelhafte Machenschaften

Namentlich nannte sie den zurückgetretenen Innenminister Kalinak, der offenbar in eine ganze Reihe zweifelhafter Machenschaften verwickelt sei, aber als Vizeparteichef der regierenden Sozialdemokraten noch immer großen politischen Einfluss im Land ausübe.

Jugendorganisationen und Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Kultur organisieren seit einiger Zeit Proteste gegen die Korruption im Land. Die regelmäßigen Demonstrationen, die vor mehr als einem Jahr begonnen haben, wurden von zwei 18-jährigen Schülern initiiert, die ihre Initiative über Soziale Netzwerke organisierten. Ende September 2017 versammelten sich tausende Demonstranten in Bratislava zum "großen Marsch gegen Korruption". Auch für den heutigen Freitag sind wieder Demonstrationen geplant.

Einer Aufarbeitung harrt außerdem der Fall "Gorilla". Dieser bisher größte Korruptionsskandal der Slowakei betraf die frühere christlich-liberale Regierung von Mikulas Dzurinda. Es geht dabei unter anderem um die Bestechung von Regierungsangehörigen in Millionenhöhe.