Ganz im Schatten der amerikanischen Vertrauenskrise vollzieht sich fast unbemerkt eine Wandlung in der Kuba-Politik. In den vergangenen Wochen steuerten die Auseinandersetzungen zwischen den USA und der kommunistischen Karibikinsel einem neuen Höhepunkt zu. Aber auch mit den Vereinten Nationen und mit der Europäischen Union hat Fidel Castro, Kubas greiser Maximo Lider, seine Probleme.
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Bereits im Oktober letzten Jahres hatte US-Präsident George W. Bush angekündigt, in der Causa Kuba Nägel mit Köpfen machen zu wollen. Er beauftragte einen Beraterstab damit, einen Plan auszuarbeiten, wie man das kommunistische Regime stürzen könnte. Letzte Woche war es dann schließlich soweit: Die Kommission unter der Leitung von Außenminister Colin Powell gab ihre Empfehlung ab. Ihr schloss sich Bush an, als er ankündigte, Geldsendungen nach Kuba weiter einzuschränken. Privatpersonen schicken jährlich über 800 Millionen Dollar in den kommunistischen Staat. Auch die an sich verbotenen Reisen zur Karibik-Insel sollen schärfer überwacht werden.
Laut Aussage des dortigen Außenministers hätten 150.000 Amerikaner im letzten Jahr sein Land besucht. Weiters soll unterbunden werden, dass die kubanische Regierung mit Störsendern die Ausstrahlung US-finanzierter Radio- und Fernsehprogramme behindert. Um seinen Plan zu finanzieren, will Bush den Kongress um umgerechnet 50 Millionen Euro bitten.
Krise als Wahlgag?
Viele sind der Meinung, dass sich Bush mit dieser Aktion bloß auf Stimmenfang begebe. Die Vorlage der Empfehlung "praktisch am Vorabend der Wahl, ist politisch so durchsichtig, dass es zum Lachen ist", sagte der demokratische Abgeordnete und erklärte Gegner Castros, Robert Mendez. Die im US-Bundesstaat Florida lebenden Exilkubaner können nämlich bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen im November über Sieg und Niederlage entscheiden. Um ihre Stimmen für sich zu gewinnen, treibt Bush die Verschärfung des seit mehr als 40 Jahren bestehenden amerikanischen Handelsembargos voran.
Gegen diesen Boykott treten traditionellerweise die UNO und die EU auf. Das Helms-Burton-Gesetz führte sogar zu einem erbitterten Handelsstreit zwischen den USA und der EU. Die 1996 eingeführte Lex verbietet Drittländern den Handel mit Kuba. Die Welthandelsorganisation musste damals die beiden Kontrahenten aus dem Clinch befreien.
Probleme mit der EU
Das heißt aber nicht, dass die EU die Politik Kubas billigt. Schon seit Mitte der 90er Jahre setzt sie sich vergebens dafür ein, auch Regimegegner auf Kuba zu tolerieren. Ein Streit um 75 solcher Dissidenten hat letztes Jahr die guten Beziehungen zwischen Havanna und Brüssel schwer getrübt. Die Kritiker waren in Kuba zu Haftstrafen zwischen zwölf und 27 Jahren verurteilt worden. Das sei zuviel und verstoße gegen die Menschenrechte, befand die EU. Der kubanische Justizminister verteidigte die juristische Härte damit, dass es sich dabei um "Söldner einer ausländischen Macht" handle. Sie hätten vorgehabt, "das poltische System Kubas" und "seine demokratisch gewählte Regierung zu stürzen". Kuba ist offensichtlich nicht bereit, von dieser Position abzuweichen. Erst Anfang dieser Woche wurden wieder drei Oppositionelle zu bis zu fünf Jahren Haft verurteilt. Sie hatten an einer Demonstration in Havanna teilgenommen und die Freilassung politischer Gefangener gefordert. Die Verurteilungen erfolgten gemäß kubanischem Strafgesetz. Folglich verlangte die EU eine Änderung des Gesetzes und machte den Abschluss eines Kooperationsabkommens mit der Insel davon abhängig.
Castros Schimpftiraden
Auf Einmischungen dieser Art reagiert Fidel Castro empfindlich. Er bezeichnete die EU als "Mafia", die im Dienste der US-"Banditen" stehe. Die Sinnhaftigkeit solcher Ausbrüche bleibt natürlich fraglich, zumal die EU der mit Abstand größte Handelspartner Kubas ist. Dem Maximo Lider scheint das aber egal zu sein: "Kuba braucht die Europäische Union nicht, um zu überleben und sich zu entwickeln", gibt er sich zuversichtlich. Kuba hat aber nicht nur Probleme mit der EU. Seit in Mexiko Präsident Vicente Fox an der Macht ist, entfernt sich der Staat in dem Maße von Kuba, in dem er sich den USA annähert. Die Ansprache Castros zum 1. Mai 2004 war der Tropfen, der beim "den Kubanern lieben Brudervolk" das Fass zum Überlaufen brachte. Fidel ereiferte sich darin, dass fünf "schwache" lateinamerikanische Staaten "servil und in US-Abhängigkeit" eine Rüge für Kuba in der UNO-Menschenrechtskommission (MRK) in Genf unterstützt hätten. Allen voran Mexiko.
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten. Schon am nächsten Tag ordnete Fox die Ausweisung des kubanischen Botschafters an. Zugleich wurde der eigene Botschafter in Havanna nach Hause zurückberufen. Genauso reagierte auch Perus Präsident Toledo, dem Castro vorgeworfen hatte, sein Land nicht führen zu können. Die beiden Staaten folgten damit dem Beispiel Uruguays, das vor einem Jahr die diplomatischen Beziehungen zu Kuba abgebrochen hat. Präsident Jorge Batlle war von Castro als "verkommener Judas" und "Lakai der USA" bezeichnet worden. Hintergrund war auch hier die von Uruguay bei der UNO-Menschenrechtskommission eingebrachte Resolution.
Die besten Beziehungen pflegt Kuba derzeit mit Venezuela. Das südamerikanische Ölland tauscht seinen Hauptexportartikel gegen Ärzte und Lehrer aus Kuba. Aber auch andere Länder beginnen mit Kuba enge Bande zu knüpfen. Argentinien, Brasilien und Paraguay haben sich bei der letzten Abstimmung in Genf der Stimme enthalten und so die Sympathie Castros gewonnen. Argentinien ist damit Kuba einen Schritt entgegengekommen. Noch vor drei Jahren hatte die argentinische Regierung in der MRK gegen Kuba gestimmt und dafür von Castro den Titel "Stiefellecker der USA" erhalten. Im Oktober vergangenen Jahres besuchte Außenminister Rafael Bielsa den Maximo Lider wieder in offiziellen Angelegenheiten. Ungefähr zur selben Zeit war auch Brasiliens Präsident Luis Inácio Lula da Silva in Kuba. Er unterzeichnete gleich Wirtschaftsverträge mit einem Auftragswert von 200 Millionen Dollar.
Wirtschaft im Aufschwung
Dazu gehören der Bau von Strandhotels und Investitionen in die Zuckerindustrie. Die ist jedoch derzeit das Sorgenkind der kubanischen Ökonomie, nachdem die Produktion letztes Jahr signifikant abgenommen hat. Dafür stiegen die Erdölförderung und die Stromerzeugung. Der dynamischste Sektor ist aber der Tourismus: 1,9 Millionen Menschen verbrachten letztes Jahr ihren Urlaub auf der Karibikinsel, 18.000 davon kamen aus Österreich. Dieses Jahr hofft Kuba die 2-Millionen-Marke bei Auslandstouristen zu überschreiten. Die Zeichen dafür stehen gut: Von Jänner bis März kamen rund 675.000 Besucher. Das bedeutet eine Steigerung von 13,5 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Mittlerweile stammen bereits 41 Prozent der Deviseneinnahmen des Landes aus dem Reisegeschäft. Es verwundert also nicht, wenn Präsident Bush genau in diesem Bereich Kuba in die Knie zwingen will. Dort hat man vor einer Woche bereits reagiert: Mit Ausnahme von Nahrungsmitteln und Waren für die persönliche Hygiene ist der Verkauf gegen Dollar einstweilen gestoppt.
Während sich die Konfrontation mit den USA einem neuen Höhepunkt nähert, bemüht man sich bei der EU um Entspannung. Wie der EU-Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe Poul Nielson betonte, ist Fidel Castro eingeladen, am EU-Lateinamerika-Gipfel teilzunehmen. Vom 28. bis zum 29. Mai treffen sich die Staaten im mexikanischen Guadalajara, um über eine mögliche Reform der UNO zu beraten. Optimisten hoffen, dass dort der kubanische Knoten zerschlagen wird und so einer Zukunft in Freundschaft nichts mehr im Wege steht.
Kuba-USA: Eine Kontroverse mit Geschichte
Amerika den Amerikanern
Als Fidel Castro 1959 die Macht in Kuba übernahm, passte das den USA gar nicht. Bis dahin stand die Insel nämlich praktisch unter deren Herrschaft. Um die Revolutionäre zu beugen, erließ Präsident Dwight D. Eisenhower gegen Kuba einen Wirtschaftsboykott. Durch die politische und wirtschaftliche Nähe der kommunistischen Insel zur Sowjetunion fühlten sich die USA bedroht und schmiedeten einen Plan für einen erneuten Machtwechsel. Im Jänner 1961 wurden die diplomatischen Beziehungen zu Kuba abgebrochen. Bis heute werden die konsularischen Dienste der zwei Länder über die Schweiz geregelt.
Landung in der Schweinebucht
Die CIA rechnete sich aus, dass im Falle einer Invasion mit starker Unterstützung von Castro-Gegnern zu rechnen wäre. Präsident John F. Kennedy lehnte eine Militärintervention auf der Insel zwar ab, sagte aber seine Unterstützung in der Causa zu. So landeten am 17. April 1961 1.300 Exilkubaner in der Schweinebucht. Schützenhilfe erhielten sie von US-Militärflugzeugen und Kriegsschiffen. Sie trafen jedoch auf eine zehn Mal stärkere Armee. Auch der erwartete Aufstand und die Sympathisanten, mit denen man gerechnet hatte, blieben aus. Innerhalb von zwei Tagen wurden die Invasoren geschlagen und über 1.100 von ihnen gefangen genommen. Sie tauschte Kuba später gegen die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten im Wert von über 50 Millionen Dollar. Damit war der Streit aber noch nicht beendet. Es folgte die bekannte Kubakrise, die fast zum dritten Weltkrieg geführt hätte.
Die Kuba-Krise
Nachdem die USA 1959 Atomraketen in der Türkei stationiert hatten, begann die Sowjetunion 1962 damit, auf Kuba dasselbe zu tun. Kennedy beschloss eine Seeblockade zu errichten. Seine Berater forderten jedoch eine Invasion. 200 Kriegsschiffe wurden vor Kuba in Stellung gebracht. Kennedy forderte die Sowjetunion auf, ihre Raketen abzuziehen und drohte mit einem atomaren Gegenschlag für den Fall eines Angriffs. Die Welt fürchtete das Schlimmste, sollte ein sowjetisches Schiff versuchen den Sperrgürtel zu durchbrechen. Doch glücklicherweise drehten sie alle ab. Kennedy und der Sowjet-Präsident Nikita Chruschtschow beschlossen daraufhin einen Handel: Die Raketen werden aus Kuba abgezogen; im Gegenzug verzichten die USA auf eine Invasion in Kuba. Doch schon einen Tag darauf erreichte die Kuba-Krise ihren Höhepunkt. Auf einen nicht angekündigten Test einer amerikanischen Rakete wurde ein US-Aufklärungsflugzeug über Kuba abgeschossen. Der dritte Weltkrieg stand bevor. In letzter Sekunde jedoch lenkte Kennedy ein und erklärte sich bereit, auch die in der Türkei stationierten Raketen abzuziehen. Die Welt war gerettet.