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Fiktion als die realere Realität

Von Judith Schmitzberger

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Die Grenze zwischen Fiktion und Realität verläuft nicht für alle Menschen an der gleichen Stelle. David Schalko etwa zeichnete in seinem Buch "Weiße Nacht" das Liebesepos zweier Lebensmenschen nach. BZÖ-Abgeordneter und ehemaliger Haider-Vertrauter Stefan Petzner sah die Sache anders. Er hat sich in einer der Romanfiguren wiedererkannt. Das sei alles keine Fiktion, argumentierte er. Das sei Realität, noch dazu seine höchst intime. Und die gelte es gerichtlich zu schützen.


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Das Wiener Oberlandesgericht wies Petzners Klage auf finanzielle Entschädigung für erlittene Kränkung nun in zweiter Instanz ab. Es sei zwar unstrittig, dass sich der Autor bei der Hauptfigur seines Romans von der Person Petzner hat inspirieren lassen, doch sei es für den Leser klar ersichtlich, dass es sich bei dem gesamten Werk um Fiktion und keine Tatsachenberichterstattung handle. Hier sei also der Freiheit der Kunst Vorzug zu geben vor dem Schutz der Persönlichkeitsrechte.

Eine Frage, die Petzner in der ganzen Causa nicht beantwortet hat, ist, wie Schalko zu all diesen intimen Informationen über sein Leben gekommen sein könnte. Wer nichts von sich preisgibt, kann auch nicht als literarische Inspiration dienen. Aber das wird Petzner wohl noch in einer vermutlich aufwühlenden Autobiografie richtigzustellen wissen. Nicht nur das Leben schreibt die besten Geschichten. Und manchmal kann Fiktion realer sein als Realität.