Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Die Empörung war grenzenlos: Als man Roman Polanski am Freitagabend in Paris den César für die beste Regie überreichte, verließen zahlreiche Gäste aus Protest die Gala, darunter auch die französisch-österreichische Schauspielerin Adèle Haenel, die zuvor schon der "New York Times" gesagt hatte, dass ein Preis für Polanski so wäre, als ob man allen Missbrauchsopfern ins Gesicht spucken würde. Sogar der französische Kulturminister Franck Riester meinte, der Regiepreis wäre ein schlechtes Zeichen vor dem Hintergrund der MeToo-Debatte. Polanski, der den Preis für sein Drama "Intrige" über die Affäre Dreyfuss erhalten hatte (und der Gala weitsichtig fernblieb), sah sich vor dem Kinostart des Films mit neuen Missbrauchsvorwürfen der Fotografin Valentine Monnier konfrontiert, die angab, der Regisseur hätte sie 1975 vergewaltigt.
Seit es die MeToo-Debatte gibt, gibt es auch eine Debatte darüber, ob ein Künstler von seinem Werk zu trennen ist oder nicht. Wenn die César-Akademie Polanskis Regieleistung bei "Intrige" für gut befindet, dann sollte die Auszeichnung für ihn debattenlos in Ordnung gehen, weil es sich dabei um eine Anerkennung der künstlerischen Leistung handelt.
Genau dafür sind Filmpreise erfunden worden: um die Filmkunst zu feiern. Und Polanskis mutmaßliche Vergehen sollten vor Gericht behandelt werden, und nur dort. Dass es dazu bisher nicht kam, ist die eigentliche Verfehlung in dieser Debatte. Filmpreis-Galas sind jedenfalls keine Gerichtssäle.