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Finanz-Odyssee der EU

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Vorsitzender der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor Wirtschaftsblatt, Presse, und Salzburger Nachrichten.

Das Griechenland-Debakel kostet gleich einmal 110 Milliarden Euro und hinterlässt einen bitteren Nachgeschmack. In der Erweiterungseuphorie steckte Realitätsverweigerung.


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Wer sucht, findet immer jemanden, der schon immer alles gewusst hat. Im Fall des griechischen Staatsbankrotts stößt man zum Beispiel auf den früheren deutschen Wirtschaftsminister Otto Lambsdorff, der im April 2000 die Aufnahme Griechenlands in den Euro-Klub als einen "kategorischen Fehler" abstempelte. Der für seine nüchterne, den Gesetzen der Marktwirtschaft verpflichtete Denkweise bekannte FDP-Politiker hatte rundum recht - nachträglich gesehen.

Damals, vor zehn Jahren, war eine heikle Situation entstanden. Griechenland war als einziges unter den zwölf für die Aufnahme in die Euro-Gruppe in Frage kommenden Ländern zurückgestellt worden, weil

es nicht den ehrgeizigen Maastricht-Kriterien genügte, mit denen sich die anderen elf Staaten in der Wirtschafts- und Währungsunion bereits mehr oder weniger erfolgreich geißelten. Da Griechenland ständig Erfolgsbeweise vorlegen musste, um wenigstens als Nachzügler ab dem 1. Jänner 2001 Teil der Eurozone sein zu dürfen, stand es schon damals irgendwie unter Kuratel.

Ein von der EU empfohlenes Sparprogramm jagte das andere, begleitet von Protesten in Athen, Streiks und wohlformulierten Beruhigungsreden des sozialistischen Premier Kostas Simitis. Eines der großen Themen war so wie heute die Staatsverschuldung, die zeitweise das Bruttoinlandsprodukt überstieg. Simitis schaffte das Wunder zwar nicht monetär, aber diplomatisch. Die EU gab grünes Licht für den Beitritt des Mittelmeerlandes zum Euro-Klub am 1. Jänner 2001.

Im zehnten Jahr danach erfassen die geschockten Finanzminister von mittlerweile 16 Euroländern und wohl auch alle 27 EU-Staaten die südeuropäische Perspektive. Italien ist wirtschaftlich schwer angeschlagen, die klassischen EU-Nettoempfänger Spanien und Portugal werden so wie der Nettoempfänger Griechenland in die Kategorie unsichere Kantonisten gesetzt. Man weiß nicht, was noch kommt.

Es geht, wie Österreichs Finanzminister Josef Pröll nach der sonntäglichen Finanzoperation in Brüssel verkündete, sowieso nicht mehr um Griechenland, sondern um Europa. Das alte und durchaus verständliche Ziel europäischer Regierungen - und insbesondere der deutschen -, "das ganze Europa" möglichst vereint unter dem Dach der EU zu haben, wirkt mittlerweile blass. Es war doch ein "kategorischer Fehler" im Sinne Lambsdorffs, die Budgetfälschungen der Griechen großzügig zu übersehen und damit eine Krise heraufzubeschwören, von der die EU-Architektur im Kern erschüttert wird. Die Europäer erhalten die bisher bitterste Lehre des Einigungsprozesses seit der Gründung der Montanunion im Jahr 1951. Potenzielle Euro-Kandidaten wie Estland, Polen, Ungarn oder Bulgarien werden härter angefasst werden als einstmals Griechenland.

Wer es dennoch optimistisch nehmen will, halte sich an den griechischen Ministerpräsidenten Georgios Papandreou. Er griff in den klassischen Bildungsschatz, der den meisten Nicht-Griechen, die kulturell aus der "Wiege Europas" hervorgegangen sind, heutzutage erläutert werden muss, und sagte: "Wir kennen den Weg nach Ithaka." Auf besagte Insel kehrte der sagenhafte Odysseus nach jahrelanger Irrfahrt zurück.

Schon möglich, dass Papandreou den Weg zu kennen glaubt - die EU ist auf ihrer Odyssee ins wilde Finanzmeer geraten.

Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".