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Finanz: Offensive gegen Steuerausfall

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Wird Freilassing zum Paradies fürs Auto-Leasing? Der kleine bayrische Ort an der österreichischen Grenze verspricht heimischen Unternehmern bei der betrieblichen Anmietung von Pkw oder Kombi eine Verbilligung um 20%. Österreichische Leasing-Firmen, die die Glocken boomender Neugeschäfte läuten hören, sind schon dort, verschicken Prospekte, locken mit der deutschen Vorsteuer-Rückvergütung und einer umsatzsteuerfreien Autoüberstellung ins Inland. Klingt attraktiv. Solange der Wiener Fiskus keine Gegenoffensive startet.


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Drei gewichtige Sachverhalte stehen im Mittelpunkt eines seit 1997 anhängigen steuerlichen Streitverfahrens.

Punkt 1: Die Vermietung eines Autos ist dort umsatzsteuer-bar, wo der Sitz der Leasingfirma ist. Ein bisher unbestrittenes Faktum.

Punkt 2: Wenn ein österreichischer Unternehmer im Ausland ein Kfz für seinen Betrieb least, dann kann er (wie etwa in Deutschland) dort die USt vom ausländischen Fiskus teilweise oder zur Gänze zurückverlangen.

Punkt 3: Sobald er dieses USt-entlastete Auto aber ins Inland bringt, packt der österreichische Fiskus zu und verlangt 20% Mehrwertsteuer, nämlich als besondere "Eigenverbrauchssteuer", die im Jänner 1995 (also nach EU-Beitritt!) neu eingeführt wurde.

VwGH-Anfrage an EuGH

In diesen dreifachen Fallstrick geriet auch eine Tiroler Firma, die in Deutschland ein Betriebsauto leaste, sich dort die Vorsteuer vergüten ließ und prompt vom Tiroler Finanzamt einen 20%-Umsatzsteuerbescheid vorgelegt bekam. Die Firma startete ein Berufungsverfahren, das bis zum Ver-waltungsgerichtshof weitergetrieben wurde. Hauptkampfansage: die Eigenverbrauchsbesteuerung ist EU-widrig, zumal sie erst nach dem EU-Beitritt eingeführt wurde. Die Verwaltungsrichter - wie so oft von Zweifeln über die Harmonie österreichischer Gesetze mit dem Gemeinschaftsrecht geplagt - verfassten eine Vorabentscheidungsanfrage an das EU-Höchstgericht mit der Bitte um Prüfung des ominösen Eigenverbrauchssteuer-Paragraphen hinsichtlich seiner Akkordanz mit den EWG-Umsatzsteuerdogmen.

EU-widriger USt.-Paragraph

Die Antwort des vor dem Europäischen Gerichtshof be-richtenden Generalanwalts liegt seit kurzem vor und ver-spricht Sensationelles: "Die EWG-Umsatzsteuerrichtlinie steht einer nationalen Regelung entgegen, die einen Aus-schluss vom Recht auf Abzug der Mehrwertsteuer für eigene Staatsangehörige in Bezug auf einen Umsatz beinhalten, der sich in einem anderen Mitgliedsstaat ergibt und nach der Richtlinie in diesem anderen Mitgliedstaat als steuerbarer Umsatz angesehen wird."

Die etwas gewundene Aussage enthält die für österreichische Autoleaser erfreuliche Antwort auf alle drei Teilfragen.

1. Es bleibt dabei, dass ein Auto auch steuerrechtlich dort geleast wird, wo sich die Autoleasingfirma befindet.

2. An deren Firmensitz wird also der grundsätzlich steuerbare Umsatz getätigt, der einem ausländischen Käufer einen Vorsteuer-Vergütungsanspruch ermöglicht.

3. Bei der Einfuhr des Auslandsautos nach Österreich darf nicht nochmals ein umsatzsteuerbarer (und steuerpflichtiger) Umsatz unterstellt werden, auch nicht unter dem fragwürdigen Titel einer "Eigenverbrauchsbesteuerung". Punkt.

Neue Rechtslage ab 2003?

Dem Generalanwalt darf man trauen. Seiner Rechtsmeinung wird von den EU-Höchstrichtern nahezu immer gefolgt. Der Himmel für österreichische Unternehmer, die in Deutschland ein Betriebsauto leasen, hängt also offenbar voller Geigen: sie können die deutsche USt rückvergütet bekommen und bleiben in Österreich mit dem Auto ust-frei.

Weniger Freude haben die österreichischen Leasinggesell-schaften, die noch nicht mit einer Auslandstochterfirma aktiv geworden sind: ihnen bläst jetzt ein rauher Konkurrenzwind entgegen. Wenig Freunde hat auch der heimische Fiskus, dessen USt-Budget ein bisschen schmäler wird.

Sobald der definitive Richterspruch des Europäischen Gerichtshof - in der erwarteten Fassung des Generalanwalts - veröffentlicht wird (was voraussichtlich im Jänner 2003 der Fall sein wird), wird die bezügliche Eigenverbrauchs-besteuerung in ihrer jetzigen Gesetzesfassung hinfällig. Was viele Steuerberater schon jetzt dazu bewegt, betroffenen Klienten zu raten, eine etwaige Eigenverbrauchs-USt für ausländische Leasingautos zu bekämpfen bzw. solche Bescheide nicht rechtskräftig werden zu lassen.

Ersatzlösung des Fiskus

Indes ist Vorsicht am Platz. Auch in der Wiener Himmel-pfortgasse sitzen wache Leute, die die neue Rechtslage nicht so einfach akzeptieren wollen und Auswege aushecken. Sie sind bereits am Werk. So sollen - als Übergangslösung bis zu einer neuen legistischen Initiative - die amtlichen Umsatzsteuer-Richtlinien dahingehend geändert werden, dass der Leistungsort beim Auslandsleasing in das Inland verlagert wird. Anders gesagt: Der Abschluss eines KFZ-Leasingvertrages in Deutschland wird per Fiktion nach Österreich verlegt, was somit auch hier Umsatzsteuerpflicht auslöst. Dadurch kann der Fiskus den für ihn bedauerlichen Wegfall des Eigenverbrauchsteuer-Paragraphen verschmerzen: er bekommt die USt jedenfalls zufolge Fiktionstatbestand.

Die österreichischen USt-Richtlinien sind für die Finanz-beamten bindend. Sie ermöglichen es, die betroffenen Steuerzahler so lange hinzuhalten, bis die erwünschte Neuregelung (wohl rückwirkend) auch gesetzlich verankert ist, was wegen der derzeit parlamentslosen Zeit wohl erst im Frühjahr 2003 möglich sein wird. Das Freilassing-Fieber könnte sich dann allerdings als Strohfeuer erweisen.