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Finanz-Regulierung: Schwer verständliche Diskrepanzen

Von Reinhard Göweil, Madrid

Analysen

Die EU-Finanzminister kamen in Madrid über ein prinzipielles, "wir wollen koordiniert vorgehen" nicht hinaus. In den USA liefern sich Weißes Haus und republikanische Senatsabgeordnete eine bitteres Wortgefecht: Bei der Regulierung der Finanzwirtschaft tun sich die meisten Regierungen ziemlich hart.


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Das ist einigermaßen erstaunlich, denn viele Banken ließen in den vergangenen drei Jahren kaum was aus: Zuerst wurde die Spekulation im Massengeschäft salonfähig gemacht. Auf eigene Rechnung wurde riesige Luftgeschäfte in Gang gesetzt, und zu guter Letzt zahlten sich viele Bankbosse Gagen aus, die auch hartgesottenen Neoliberalen den Atem raubte.

Die Party löste unter anderem eine Finanzkrise aus, die viele Banken ruiniert hätte. Die EU-Staaten stellten etwa 13 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung zur Verfügung, um den großen Crash zu verhindern.

Am Höhepunkt der Krise vereinbarten die Regierungschefs der 20 mächtigsten Länder der Erde eine globale und scharfe Aufsicht über die außer Rand und Band geratenen Finanzinstitute.

Seither tagen viele Gremien, und es gab viele Vorschläge. Sonst ist nichts passiert.

Die EU kann sich bei der Bankenabgabe auf keine gemeinsame Vorgehensweise einigen. Die USA streiten um Schärfe und Zweck einer solchen "Spekulations-Steuer".

Der streitbare Ökonom und Wirtschafts-Nobelpreisträger Stieglitz hat nun vorgeschlagen, jene Banken, die zu groß sind, um sie pleite gehen zu lassen, zu zerschlagen. Es könne nicht sein, dass die öffentliche Hand einen quasi-Insolvenzschutz für diese Institute bietet.

Warum geht es mit der Regulierung nun nicht schneller?

Zum einen liegt es daran, dass jener Personenkreis, der die Regeln aufstellt, zum Teil selbst bei Banken gearbeitet hat. Viele Notenbanker haben davor bei Geschäftsbanken gearbeitet, und daher großes Verständnis für die Abläufe in Banken.

Zum anderen haben die großen Banken - staatlicher Schutz hin oder her - erheblichen Einfluss auf jeweiligen Regierungen. Vier US-Finanzminister in Folge kamen von Goldman Sachs, der angeblich mächtigsten Bank der Welt. Erst Barack Obama verschärft nun die Gangart. Wegen eines Finanzproduktes, das Goldman Sachs entwickelte, damit es schief ging (kuriose Blüten trieb das Investmentbanking), ermittelt nun die amerikanische Börseaufsicht. Tausende Anleger, die Geld verloren hatten, hoffen, dass sie nun Geld zurückfordern können.

In Europa ist es ähnlich. Auch Mario Draghi, Italiens Notenbankchef, der das neue internationale Gremium für Aufsicht und Kontrolle leitet, war 2002 bis 2006 bei Goldman Sachs beschäftigt.

Die großen Banken in Europa, die nicht nur die Wirtschaft, sondern auch politische Parteien finanzieren, finden in den Regierungen ein offenes Ohr.

Das Argument, die Banken seien so wichtig, weil sie Privaten und Firmen Kredite zur Verfügung stellen, wird dabei gerne in die Auslage gestellt. Ob es gilt, müssen die Banken allerdings selbst beweisen. Dazu ist eine fundamentale Neuausrichtung im Selbstverständnis notwendig. Demut nannte es Erste-Chef Andreas Treichl.

Ein guter Anfang.