Die "Institutionen" - einst als Troika bekannt - kehren nach Athen zurück. Der Besuch startet am Mittwoch.
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Brüssel/Athen. Vor der Rückkehr der EU-Troika nach Athen ließ Wolfgang Schäube noch einmal die Muskeln spielen. Vor der Auszahlung von Hilfsgeldern müsse Griechenland die nötigen Reformpläne vorlegen und Zahlen auf den Tisch legen. "Bevor das nicht stattfindet, passiert gar nichts", polterte der deutsche Finanzminister Rande des EU-Finanzministertreffens in Brüssel.
Deutschland schenkt den Griechen nichts. Schäuble war es auch, der bis zuletzt darauf bestanden hatte, dass die Expertenteams der bei den Griechen verhassten Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds direkt vor Ort nach dem Rechten sehen müssen. Athen wollte das verhindern. Denn auch wenn die Troika auf Drängen der Links-Rechts-Koalition inzwischen "die Institutionen" heißt: Für Regierungschef Alexis Tsiprasund Finanzminister Janis Varoufakis kommt die Visite einer Demütigung gleich - und einem Bruch ihres Wahlversprechens. Schließlich setzte sich Varoufakis nicht einmal mit dem Kompromissvorschlag durch, wonach Europartner nur einzeln in Athen antreten. Schäubles Antwort war ein schlichtes "Nein". Varoufakis wird also heute die ungeladenen Vertreter gemeinsam begrüßen müssen, bevor diese darangehen, sich einen Überblick über Athens Reformen sowie die angespannte Liquiditätslage im Land zu verschaffen.
Angesichts der drohenden Pleite bleibt Athen kaum eine Alternative zur Kooperation. Wenn die Regierung weitere Hilfstranchen aus dem laufenden Rettungspaket erhalten will, muss sie den Bericht der "Institutionen" abwarten. Bis Ende April hat Griechenland dann Zeit, seine Sparpläne zu adjustieren. Die bisherigen Reformvorschläge reichten den Geldgebern nicht aus. Und die Zeit drängt.Noch in diesem Monat muss Athen einen Kredit in Höhe von 1,5 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Im Sommer werden 6,7 Milliarden Euro an die EZB fällig.
Varoufakis braucht also dringend Geld. Um die griechischen Staatseinnahmen zu erhöhen, sagte die Regierung einen Nachlass bei der Rückzahlung von Steuerschulden zu. Die Rückstände der Griechen belaufen sich inzwischen auf 76 Milliarden Euro.
Verzweifelter Hilferuf
Am Dienstag wandte sich Staatsminister Alekos Flambouraris mit einem verzweifelten Appell an die Bürger: "Die Griechen müssen Geld aus dem Ausland zurückzubringen. Wir sind in einem Existenzkampf und wir brauchen jeden einzelnen Euro", erklärte er im Rundfunk. Laut Schätzungen hat die Bevölkerung aus Angst um ihr Erspartes allein in den vergangenen drei Monaten 22 Milliarden Eurovon den Bankkonten abgehoben. Die Geldeinlagen schrumpften damit auf etwa 150 Milliarden Euro - das sei der niedrigste Stand seit mehr als zehn Jahren, berichtete die griechische Finanzpresse.
Stattdessen sind die ausländischen Banken deutlich weniger in Griechenland engagiert als noch vor vier Jahren. Die Ratingagentur Standards & Poors rechnet deshalb kaum damit, dass ein Grexit - ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone - eine Abwertung von Kredithäusern zur Folge hätte, heißt es in einem Bericht.
Nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) belief sich das finanzielle Engagement ausländischer Banken in Griechenland im September des Vorjahres auf 46 Milliarden Dollar (42 Milliarden Euro); dazu kommen potenzielle weitere Verpflichtungen in Form von Derivaten und Garantien in Höhe von 22,8 Milliarden Dollar. Dies ist deutlich niedriger als der einstige Maximalwert - Anfang 2011 betrug das Engagement noch 138 Milliarden Dollar. 80 Prozent des Gesamtengagements entfallen auf Banken in Deutschland und Großbritannien (je 13,5 Milliarden Dollar) sowie die USA (10,6 Milliarden Dollar). In Deutschland entspricht das 0,56 Prozent der Investitionen im Ausland, in Großbritannien und den USA unter 0,4 Prozent.