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Finanzbranche muss sich guten Ruf zurückerkämpfen

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft

Risikomanagement noch nicht optimal in die Qualitätsstandards eingebunden.


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Wien. "Die Finanzbranche" oder "die Banker" sind seit dem Ausbruch der Finanzkrise mit dem Fall des Investmenthauses Lehman Brothers im Herbst 2008 im Ansehen der Menschen deutlich unter jene Berufsgruppen gerutscht, die sonst die Schlusslichter diverser Beliebtheitsskalen bilden. Heimische Skandale wie der Rückkauf von Meinl-European-Land-Zertifikaten, Notverstaatlichungen wie jene der Hypo Alpe Adria oder internationale "Fehlspekulationen", die teilweise an Unterschlagung grenzen, tun ein Übriges, um diverse Berufsstände in der Investmentbranche kollektiv zu brandmarken.

Allerdings gibt es auch in der Finanzwelt ethische Standards und zertifizierte Ausbildungen, die zwar weder vor individuellen Fehlleistungen noch vor systembedingten Fehlentwicklungen, aber doch vor einer Zunahme des Missbrauchs schützen können.

Ein Beispiel sind die Chartered Financial Planners (CFP), also zertifizierte Finanzplaner, für die seit mehr als zehn Jahren auch in Österreich eine Prüfung abgenommen wird. Etwas zu "chartern" bedeutet im Englischen nicht nur ein Flugzeug oder anderes Transportmittel zu buchen, sondern auch jemanden - oder eine Institution - mit Rechten und Pflichten auszustatten.

Bei den CFPs, oder ähnlichen Zertifizierungen wie den geprüften Finanzanalysten, Chartered Financial Analysts (CFA), bedeutet das, dass nach einem umfassenden Post-graduate-Kurs jährlich Zusatzausbildungen und Weiterbildungen absolviert werden müssen. Außerdem verpflichten sich "chartered" Mitglieder der Finanzbranche einem ethischen Kodex - bei Nichteinhaltung droht der Ausschluss.

Die Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind in den USA - je nach Berufsgruppe vor 30 oder bereits vor 60 Jahren - erstmals definiert worden und werden seither zentral weiterentwickelt. Allerdings haben viele Länder eigene Interessensverbände für diverse "chartered" Finanzangestellte, um regional spezifischen Input sowie Lobbying voranzutreiben. "Das Gütesiegel CFP bietet dem Konsumenten eine wichtige Orientierungshilfe", ist Otto Lucius, Vorsitzender des Vorstandes des Österreichischen Verbandes Financial Planners (AFP), überzeugt.

Zahl der Zertifizierten steigt

In Österreich ist die Zahl der CFP in den vergangenen zehn Jahren auf 300 angewachsen, dazu kommen weitere 900 diplomierte Finanzberater, die ebenfalls vom AFP zertifiziert wurden. Alle diese Fachkräfte kommen immer häufiger in Banken und bei Finanzdienstleistern zum Einsatz.

Kritikpunkte am System werden vor allem wegen der hohen Kosten der Aus- und Weiterbildung geäußert, von denen Konsumentenschützer befürchten, dass sie an die Kunden weitergegeben werden. Allerdings führte in den vergangenen Jahren das "erhöhte gesellschaftliche Bewusstsein für qualitative Finanzberatung", wie es Lucius formuliert, zu einem Anstieg der Zertifizierungen.

"Chartered" Mitarbeiter könnten im Finanzbereich also schon bald zum Standardinventar gehören, mit dem sich die Spreu vom Weizen der Investmentbranche trennt. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die in der Aus- und Weiterbildung Mängel und einen zu starken US-amerikanisch geprägten Einfluss sehen.

Ausgebildet für Bankenrisiko

Während die Zertifizierungen im Bereich der Vermögensberatung und -verwaltung zunehmen, vermisst Christoph Krischanitz, Geschäftsführer der versicherungsmathematischen Beratungsgesellschaft Arithmetica, ähnliche Standards für jene Mathematiker, die in Banken "die Risikovorsorgen kalkulieren oder komplexe Finanzprodukte designen". Als Vorsitzender der Österreichischen Aktuarsvereinigung (ÖAV), also dem Verband der Versicherungsmathematiker, schlägt Krischanitz naturgemäß Aktuare für diese Aufgabe vor. Diese unterliegen bereits einem strengen Kodex, der ethische Werte sowie eine zertifizierte Aus- und Weiterbildung umfasst.

Nun wird für Aktuare weltweit eine Zusatzausbildung zum "Certified Enterprise Risk Analyst" (CERA), also zum zertifizierten Unternehmens-Risikoanalysten entwickelt, die ab dem nächsten Jahr auch in Österreich angeboten werden wird, erläuterte Krischanitz: "Damit werden wir endlich auch im Risikomanagement einen Qualitätsstandard haben."