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In der ÖVP regt sich Unmut über die eigene Partei.
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Wien. Zweieinhalb Stunden dauerte das Treffen der Koalitions-Finanzverhandler am Freitag im Parlament. Neben den Vertretern von SPÖ und ÖVP waren als Experten auch die Chefs von Wifo, IHS, Statistik Austria und Nationalbank geladen. Doch auch diese hochkarätige Truppe konnte noch nicht endgültig feststellen, wie groß das Loch im Budget ist. Bisherige Schätzungen gehen von einem Konsolidierungsbedarf von 18 bis 30 Milliarden Euro bis 2018 aus - je nachdem, wie viel für die Abwicklung der Hypo Alpe Adria nötig sein wird. Diese braucht alleine heuer noch zusätzliche 1,5 bis 1,7 Milliarden Euro (siehe Seite 12).
Von den Chefverhandlern Andreas Schieder (SPÖ) und Josef Pühringer (ÖVP) hörte man am Freitag keine Zahlen. Vorarlbergs ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner sprach von sechs bis acht Milliarden Euro, die jährlich fehlten - das wären bis 2018 dann sogar 30 bis 40 Milliarden, die eingespart werden müssten.
Dass die Regierung geänderte Konjunkturprognosen im Budgetplan vor der Wahl absichtlich ignoriert haben soll, bestreiten die Regierungsverhandler. Man sei bei der Erstellung des Finanzrahmens vorgegangen wie immer und der tatsächliche Budgetvollzug sei immer besser gewesen als die mittelfristige Planung, sagt der SPÖ-Chefverhandler und bisherige Finanzstaatssekretär Andreas Schieder. Überhaupt sieht die SPÖ das Budgetloch wesentlich gelassener als die ÖVP und bleibt bei ihrer Wahlkampfforderung nach Steuerentlastung. "Aus meiner Sicht muss sich die Steuerreform ausgehen", erklärte Burgenlands Landeshauptmann und Finanzverhandler Hans Niessl (SPÖ) nach den Gesprächen.
In der ÖVP reagiert man darauf ziemlich genervt. "Die SPÖ leugnet jeglichen Konsolidierungsbedarf", schimpft ein Schwarzer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Ein anderer sieht die Finanzen als den entscheidenden "Knackpunkt" in den Verhandlungen. Wenn man den Konsolidierungsbedarf und den Konsolidierungspfad außer Streit stelle, "kann es mit den Verhandlungen schnell gehen". Das werde sich in den nächsten Tagen zeigen. Kommende Woche soll der Endbericht des Kassasturzes vorliegen. Dann ist klar, wie groß das Loch im Budget wirklich ist - wobei die Frage entscheidend sein wird, für welches Modell der Hypo-Abwicklung sich die Regierung entscheiden wird.
Ärger über Spekulationen
In der ÖVP beziffert man vom Parteichef abwärts die Chancen auf eine Einigung mit der SPÖ mit "50:50" - versehen mit Mienen, die bekräftigen sollen, dass es nicht bloß eine Floskel ist, um sich dem ungeliebten Partner nicht schon gleich zu Verhandlungsbeginn auf Gedeih und Verderb auszuliefern. Allerdings gibt es keine sinnvolle Alternative zu Rot-Schwarz. Beobachter deuten daher das "Die Verhandlungen stehen Spitz auf Knopf"-Gerede mancher ÖVPler als taktisches Geplänkel.
Aber was, wenn nicht? In der ÖVP rumort es derzeit gewaltig. Das Personalkarussell dreht sich mit atemberaubender Geschwindigkeit - zumindest medial. Kaum ein Ministeramt, für das Sebastian Kurz und Christoph Leitl in den letzten Tagen nicht genannt wurden, kaum ein Nicht-Ministeramt, auf das Maria Fekter nicht abgeschoben wird, kein Tag, an denen Reinhold Mitterlehner oder Karlheinz Töchterle nicht mehr oder doch noch Minister sind. Das verunsichert und verärgert viele. Vor allem die Oberösterreicher sind "not amused" darüber, wie die Niederösterreicher (Parteichef Michael Spindelegger, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Landehauptmann Erwin Pröll) mit ihrer Ministerin Fekter umspringen. Vor allem Spindelegger soll es ja auf ihr Amt abgesehen haben.
In der ÖVP-Spitze weist man die Personalrochaden als "rein mediale Spekulationen" zurück. Bei Postenvergaben sei man noch lange nicht.
Dass sich die Medien so auf das Thema stürzen, liegt vor allem daran, dass inhaltlich recht wenig aus den Verhandlungen nach außen dringt. Aber auch ÖVP-intern dürfte der Informationsfluss verbesserungswürdig sein. "Während Koalitionsverhandlungen ist die Situation immer speziell", sagt ein Funktionär, "aber jetzt herrscht Chaos pur in der Partei. Es gibt kein Leadership und keine Kommunikation."
"Dann zerreißt’s uns"
Das lässt bei einigen in der Volkspartei die Furcht steigen, dass eine Koalition womöglich wirklich nicht zustande kommt. "Dann macht die SPÖ eine Minderheitsregierung, dann gibt’s bald Neuwahlen - und dann zerreißt’s uns."
Dass sich SPÖ und ÖVP nicht einigen, ist ziemlich unwahrscheinlich. Nicht nur weil die große Koalition von den wesentlichen Machtträgern in Wien und St. Pölten gewollt ist, sondern weil auf beiden Seiten Politiker stehen, die einen - sagen wir - pragmatischen Zugang zu Politik haben. Unüberwindbare Hürden und nicht zu überschreitende rote Linien gibt es da kaum - nicht einmal im ideologisch heiß umfehdeten Bildungsbereich, der kommende Woche weiterverhandelt wird. Und auch in Sachen Budgetkonsolidierung wird man sich einigen. Beobachter rechnen damit, dass die ÖVP etwa bei Erbschafts- und Schenkungssteuern nachgeben könnte, dafür dürfte die SPÖ in Sachen Studiengebühren nachgeben. Sollte im Dezember allerdings noch immer von "50:50" die Rede sein, wird man sich doch langsam Gedanken machen müssen.