)
Krise fördert Wirtschaftskriminalität "des kleinen Mannes". | 90 Prozent der Täter kommen aus dem Unternehmen. | Wien. Der Feind lauert in den eigenen Reihen und bleibt oft über Jahre hinweg unbemerkt. Wirtschaftskriminelle sind zum überwiegenden Teil Mitarbeiter der eigenen Firma - häufig sogar aus dem mittleren bis oberem Management.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Laut Gert Weidinger von der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung KPMG gehen 90 Prozent aller wirtschaftskriminellen Handlungen auf das Konto eines Mitarbeiters. Unternehmen sollten sich gerade jetzt in Acht nehmen. "Die Finanzkrise schafft mehr Motive", warnt Weidinger im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".
Der Griff in die Betriebskasse oder die Unterschlagung von Unternehmensvermögen werde umso wahrscheinlicher, je größer der finanzielle Druck ist. "Der Vermögensmissbrauch könnte in der Wirtschaftskrise zunehmen, weil das mit dem persönlichen Bedarf zu tun hat", glaubt auch Matthias Kopetzky, Experte für Wirtschaftskriminalität und geschäftsführender Gesellschafter der Business Valuation GmbH.
Frustrationen wegen Personal- und Gehaltskürzungen würden gerade die "Wirtschaftskriminalität des kleinen Mannes" fördern. Diese Meinung teilt auch Herfried Geyer, Auditor der Zertifizierungsorganisation CIS. Er sieht ein großes Gefahrenpotenzial bei den Leiharbeitern: Diese seien oft schlecht bezahlt, unter Druck und ohne Identifizierung mit dem Arbeitgeber. "So wird das Ausüben schädigender Handlungen begünstigt." Experten warnen in diesem Zusammenhang auch vor einer Zunahme von Datendiebstahl.
Rückgang bei Korruption
Bei der Korruption prognostiziert Kopetzky hingegen einen Rückgang. Der Grund: Die neuen Antikorruptionsbestimmungen würden eine präventive Wirkung haben, die Menschen seien vorsichtiger.
Auch bei der Bilanzfälschung - das Delikt des oberen Managements - erwartet der Experte trotz schwieriger Zeiten keine Zunahme - ganz im Gegenteil. Er ist überzeugt, "dass es im Bilanzbereich jetzt zur Bereinigung kommt". "Gerade in Krisenzeiten kann man die Bilanz so ausweisen, wie sie ist und muss sie nicht verschönern. Niemand wird sich über Verluste wundern", sagt er.
Der KPMG-Partner Weidinger glaubt, dass viele wirtschaftskriminelle Handlungen gerade jetzt aufgedeckt werden. "In guten Zeiten können die Lücken noch gestopft werden, das geht nun nicht mehr", erklärt er.
Obwohl Firmen Wirtschaftskriminalität mehrheitlich als gravierend einschätzen, sehen sie laut KPMG-Experten für sich selbst jedoch oft keine Gefahr. Dabei könne Prävention viel Schaden abwenden.
Kopetzky rät Unternehmen, Mitarbeiter auf wirtschaftskriminelle Handlungen zu sensibilisieren und deren Konsequenzen klar zu kommunizieren. "Man muss wissen, was einem blüht."
Außerdem müsste es im Unternehmen möglich sein, anonyme Hinweise auf mögliche Strafhandlungen zu geben. Denn "die meisten Taten werden durch Hinweise aufgedeckt", weiß Kopetzky.
Die Täter sind oft langjährige Mitarbeiter, die die Prozesse und Lücken im Unternehmen sehr gut kennen. "Mehr als die Hälfte aller Wirtschaftskriminellen ist seit mehr als sechs Jahren im Unternehmen beschäftigt", zitiert Weidinger aus einer KPMG-Studie.
Wer einen Verdacht gegen einen Mitarbeiter hat, sollte jedoch vorsichtig sein. "Es gilt immer die Unschuldsvermutung", gibt der Experte zu bedenken. Nicht jede Frage ist erlaubt, und nicht jeder Beweis darf in einem allfälligen Gerichtsverfahren auch verwendet werden.