Zum Hauptinhalt springen

Finanzierung kein Wunschkonzert

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Nettozahler fordern: EU-Haushalt einfrieren. | Offener Streit über Steuern für Finanzsektor. | Große Länder gegen neue EU-Einnahmen. | Brüssel. Gespannt warten alle auf den 29. Juni. An diesem Tag will Budgetkommissar Janusz Lewandowski seine Vorschläge für den EU-Finanzrahmen von 2014 bis 2020 präsentieren und erstmals auch Zahlen öffentlich nennen. Denn bisher ist alles umstritten: Die Höhe des künftigen Mehrjahreshaushalts, wie das Geld aufgestellt und wie es ausgegeben werden soll. Fieberhaft versuchen daher die Mitgliedstaaten, die EU-Parlamentarier und die Abteilungen der EU-Kommission bis dahin ihre Claims abzustecken. | Budgetkommissar unter 'Friendly Fire'


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Verschärfend für das Parlament kommt hinzu, dass es bei der sogenannten Eigenmittelentscheidung kein Mitspracherecht hat. Dieser Rechtsakt regelt die Einnahmenseite der Union. Lewandowski und viele einflussreiche Abgeordnete wünschen sich dafür eine eigene EU-Steuer. Große Mitgliedstaaten wie Großbritannien, Frankreich und Deutschland lehnen das entschieden ab.

Enges Korsett verpasst

Auf den polnischen EU-Kommissar wartet daher die extrem heikle Kür seiner Amtszeit: Die Kompetenzen der EU sind mit dem Lissabonner Vertrag deutlich gewachsen, was eine Erhöhung des Haushalts zur Folge haben müsste. In Zeiten der Schuldenkrise und zum Teil drastischer Sparmaßnahmen in den Mitgliedstaaten haben ihm fünf wichtige Nettozahler aber schon einmal ein enges Korsett verpasst: Bis 2020 müsse das EU-Budget eingefroren werden, forderten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Finnland und die Niederlande in einem offenen Brief. Höchstens ein jährlicher Anstieg entsprechend der Inflationsrate sei vorstellbar.

Doch dass sich Lewandowski nicht leicht einschüchtern lässt, zeigt er schon bei der Vorlage des EU-Haushalts für 2012 (siehe Artikel unten) . Vehement setzt er sich daher auch für eine eigene Einnahmequelle für die EU ein. Rund ein Drittel des EU-Budgets von derzeit gut 120 Milliarden Euro solle dadurch gedeckt werden, meinte er unlängst, der Beitrag aus den Haushalten der Mitgliedstaaten entsprechend sinken. Als deine drei Favoriten gelten die Erhöhung des EU-Anteils an nationalen Mehrwertsteuereinnahmen, eine Luftverkehrsabgabe oder eine Steuer auf Finanzgeschäfte.

Heute bestehen die Einnahmen der Union aus Anteilen der Mehrwertsteuereinnahmen der Mitgliedstaaten, Zöllen und direkten Beiträgen der EU-Länder. Der Finanzrahmen für 2007 bis 2013 umfasst nach aktuellen Preisen bis zu 975 Milliarden Euro. Rund drei Viertel davon entfallen auf die Mitgliedsbeiträge, weshalb die Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen zu den härtesten gehören, die es in der EU gibt. Durch die Einführung der EU-Steuer könnte etwas Druck aus diesem mörderischen Gefeilsche genommen werden.

Realisierung schwer machbar

Doch die Umsetzung ist mehr als schwierig: Zwar sind die von Lewandowski präferierten EU-Steuern seit langem im Gespräch. Start- und Landegebühren für Flugzeuge sowie die Kerosinsteuer haben es auf EU-Ebene aber niemals wirklich über die Brain storming-Phase hinaus geschafft. Die komplizierte Abführung von Mehrwertsteueranteilen wollen die meisten lieber auslaufen lassen als ausbauen. Eine verstärkte Besteuerung des Finanzsektors ist dagegen spätestens seit den milliardenschweren Rettungspaketen für die Banken nach der Finanzkrise auch auf höchster politischer Ebene ein Thema. Österreich gilt als einer der konsequentesten Verfechter der Finanztransaktionssteuer, deren "Erörterung" es immerhin schon in einige EU-Gipfelbeschlüsse geschafft hat.

Damit stößt Lewandowski aber auf Widerstand im eigenen Haus: Steuerkommissar Algirdas Semeta hat wegen drohender Abwanderung der Umsätze auf Finanzplätze außerhalb der EU bisher stets abgewunken. Er plädiert für eine Finanzaktivitätssteuer, die bei den Gewinnen der Banken und Boni der Banker ansetzen soll.

Einnahmen aus Finanzsektor

Doch wie auch immer die Besteuerung des Finanzsektors am Ende aussehen könnte, so gibt es bisher noch kaum Unterstützung dafür, die Einnahmen auch ins EU-Budget fließen zu lassen. Selbst Österreich hat sich zwar stets für die Finanzsteuer, aber nicht wirklich über die Verwendung der Einnahmen geäußert. Ob diese Linie unter einer Finanzministerin Maria Fekter so bleibt, ist noch nicht bekannt.