Hedgefonds und Spekulanten unter der Lupe der EU. | USA hinken bei Regulierung der Finanzmärkte nach. | Wien. Die Griechenland-Krise bringt Bewegung in die seit Monaten stockende Regulierung der Finanzmärkte. Auf der Agenda ganz oben steht die Neuregelung des Derivate-Marktes mit den umstrittenen Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps/CDS). Diese sind im Zuge der drohenden Staatspleite Griechenlands in die Kritik geraten, weil CDS-Spekulationen die Zinskosten Athens nach oben getrieben haben könnten.
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Gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und dem griechischen Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou fordert nun die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Brief an EU-Kommissionschef José Manuel Barroso die Neufassung einer EU-Richtlinie gegen missbräuchliche Spekulationsgeschäfte.
Gefahr: Abwanderung
Ungedeckte Leer(ver)käufe, mit denen Spekulanten aus fallenden Kursen von Aktien, Anleihen oder Währungen Profit schlagen, sollen eingedämmt oder verboten werden. In Zukunft sollte demnach verhindert werden, dass sich Investoren gegen Ausfälle von Staatsanleihen versichern können, die sie gar nicht besitzen. Der Hintergrund: Je näher Spekulanten Schuldnerstaaten wie Griechenland oder Spanien an den Rand des Ruins treiben, desto höher steigen die Preise für die Versicherungen und desto größere Kursgewinne lassen sich damit erzielen.
Bereits seit längerem auf dem Tisch der EU liegen Vorschläge, um die bisher kaum kontrollierten, hoch spekulativen Hedgefonds zu regulieren. Laut einem Kommissionspapier sollten diese künftig ihre Veranlagungsstrategie, ihr Transaktionsvolumen sowie Namen der Mitarbeiter bekanntgeben.
Das Gesetzesvorhaben scheitert derzeit am massiven Widerstands Großbritanniens. Die Londoner City, Europas wichtigster Finanzplatz, fürchtet um ihre globale Wettbewerbsfähigkeit.
Gleichzeitig droht ein Konflikt mit den USA, die Europa Protektionismus vorwerfen. US-Finanzminister Timothy Geithner warnte in einem Brief an den EU-Binnenmarktkommissar die EU vor einem Alleingang. Streitpunkt ist unter anderem, ob sich Fonds aus Drittstaaten an die EU-Regeln halten müssten, wenn sie in Europa handeln wollen.
"Wenn wir in der EU zu einseitige Regulierungsmaßnahmen treffen, dann muss man gefasst sein, dass Unternehmen mit ihren Aktivitäten nach Singapur, New York oder Hongkong abwandern", erklärt der Wifo-Finanzmarktexperte Thomas Url. Als warnendes Beispiel nennt er die jüngste Boni-Sondersteuer von 50 Prozent in Großbritannien. In den vergangenen Monaten seien etliche Hedgefonds-Firmen von London in die Schweiz gewechselt, so Url.
Offiziell haben die Industrie- und Schwellenländer der G20 schon vor langem vereinbart, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Die Pläne als Reaktion auf die Finanzkrise: Hedgefonds und Ratingagenturen an die Leine legen, Steueroasen austrocknen und Banken zu mehr Eigenkapital zwingen.
Aufsicht über Ratings
"Das Problem ist, dass die USA in den Regulierungsaktivitäten hinterherhinken", so Url. Viele Vorhaben stecken im Kongress fest. Die EU habe im Gegenzug bereits eine Aufsichtsbehörde installiert, die künftig die Einschätzungen der Ratingagenturen unter die Lupe nehmen soll. Weit gediehen sei auch eine EU-Behörde zur Überwachung makroökonomischer Risiken. Das Gremium, besetzt mit Vertretern der EZB und nationaler Banken, soll etwa Alarm schlagen, sobald die Immobilienpreise gefährlich ansteigen.