Zum Hauptinhalt springen

Finanzmarktkrise: Teufel und Beelzebub

Von Jens Tschebull

Gastkommentare

Eine Ursache für die Finanzturbulenzen ist die zu großzügige Kreditvergabe an Schuldner aller Kategorien: von Häuslbauern in Kalifornien, deren Bungalows zu optimistisch bewertet waren, bis zu Oligarchen, die sich bei Oerlikon oder Magna einkauften, den Kauf mit Krediten finanzierten und die Kredite mit den gekauften Aktien besicherten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Jetzt sinken Realitätenpreise und Aktienkurse. Die Sicherstellung genügt nicht, Häuser werden zwangsversteigert, Milliardenkredite fällig gestellt. Begünstigt wurde das alles durch niedrige Zinsen, die Privathaushalte und Spekulanten zum Deficit Spending verleiteten. Nun sind die Finanzmärkte ausgetrocknet, die Wirtschaft droht zu verdorren.

Um die Konjunktur in Schwung zu bringen, werden genau jene Rezepte empfohlen, die als Krisenauslöser gelten: niedrige Zinsen, noch mehr Geld für die Wirtschaft und Deficit Spending, diesmal nicht der Häuslbauer und Spekulanten, sondern der Staaten. Das Chaos, das der Teufel der leichten privaten Geldvermehrung verursachte, soll der Beelzebub der staatlichen Geldvermehrung aufräumen. Man greift nach jedem Strohhalm, auch wenn sich dieser selbst mit künstlicher Liquidität ansaufen und untergehen sollte. Aber auf internationaler Ebene ist bisher nichts Besseres vorgeschlagen worden.

Auf lokaler Ebene hat die Notwendigkeit, "den Menschen da draußen" ein Beruhigungsmittel zu verabreichen, dazu geführt, dass der Staat 100 Prozent aller Spareinlagen garantiert. Dies ist eine rein virtuelle Option. Aber sie wirkt beruhigend. Die Frage, wie sich der als auszahlender Bankkassier einspringende Staat an den Restbeständen der betroffenen Banken schadlos halten kann, und ähnliche Kleinigkeiten sind noch nicht formuliert.

Verkauft wird diese Rettungsaktion als Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der Sparer. Die Politik gibt sich karitativ, obwohl sie die Gelegenheit nutzen und auch ordnungspolitische Lenkungsversuche in die Garantieerklärung einbauen könnte: Wenn die Allgemeinheit schon den Sparern die Sorge um ihr Vermögen abnimmt, könnte sie von ihnen auch eine für alle nützliche Gegenleistung verlangen. Etwa durch Bindung der Einlagengarantie an die Laufzeit. Die ersten 20.000 Euro werden jedenfalls garantiert, die nächsten 20.000 nur, wenn sie mindestens ein Jahr gebunden wurden, und Guthabenteile über 50.000 nur bei mindestens sechsjähriger Laufzeit.

Ein solches System erhöht die Sicherheit der Sparer und verbessert das Bilanzbild der Banken, da täglich fällige Sparguthaben in längerfristige Verbindlichkeiten umgewandelt werden. Die staatliche Feuerwehraktion wäre mit einer Feuerschutzimprägnierung verbunden. Aber vorausschauende Politik zu betreiben ist natürlich schwierig, wenn eine noch unbekannte neue Regierung im Kommen, eine sattsam bekannte alte Regierung im Gehen und gleichzeitig Feuer am Dach ist.

Jens Tschebull war Gründungs-Chefredakteur von "trend" und "profil", Club 2-Moderator und "Wirtschaftsblatt"-Herausgeber.