Verhaltenskodex nicht mehr erwähnt. | Kommission soll Privatkundensektor prüfen. | Brüssel. Bis zu 1600 Milliarden US-Dollar (1178 Mrd. Euro) werden gegenwärtig von rund 9000 Hedgefonds weltweit verwaltet - Tendenz stark steigend: Allein um rund 200 Mrd. Dollar soll ihr Volumen seit Jahresbeginn gestiegen sein.
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Institutionalisierte Bestimmungen für die Kontrolle und Transparenz der tendenziell hochspekulativen Fonds gibt es derzeit kaum. Und das dürfte auch eine Zeit lang noch so bleiben. Denn die EU-Finanzminister werden heute, Dienstag, entgegen ursprünglichen Plänen keinen Verhaltenskodex für Hedgefonds fordern. Der wird in dem der "Wiener Zeitung" vorliegenden Entwurf der Ministerratsbeschlüsse nicht mehr erwähnt. Vor allem Großbritannien habe dafür gesorgt, hieß es in Diplomatenkreisen. Wie Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy seien die Briten der Ansicht, man solle "ruhig den Markt arbeiten lassen". London gilt auch als Hedgefonds-Zentrum in der EU. Es beherbergt rund zwanzig Mal so viele Fonds wie der Konkurrenzmarktplatz Frankfurt am Main.
"Kreditgeber, Investoren und Behörden" müssten eben "wachsam bleiben" und die "möglichen Risken angemessen gewichten", heißt es in den vorab akkordierten Beschlüssen. Bisher habe es ausgereicht, die Fonds indirekt über die in die Geschäfte involvierten Banken und deren verbesserte interne Risikoabschätzung zu überwachen. Das habe die "Belastbarkeit gegenüber systemischen Schocks erhöht." Lediglich für den Privatkundensektor laden die Finanzminister die EU-Kommission ein, Argumente für und gegen einen EU-Gesetzesrahmen zu prüfen.
Kodex bleibt im Visier
Der Verhaltenskodex müsse weiterhin angestrebt werden, erklärte der deutsche Finanzminister und amtierende Ratsvorsitzende Peer Steinbrück im Vorfeld des Treffens. Allerdings verfolge Berlin die Angelegenheit erst seit drei Monaten. Da müsse man schon verstehen, dass die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sein könnten.
Eine Vereinbarung über eine freiwillige Selbstverpflichtung mit der Industrie auf G7-Ebene bis Jahresende wäre ein großer Erfolg, meinte er. Für einen gemeinsamen Hedgefonds-Rahmen auf Gesetzesebene gebe es unmöglich eine Mehrheit, hatte es bereits davor geheißen.
Konzerne und Banken
Der breiten Öffentlichkeit bekannt sind die wenigsten der Gesellschaften, die nicht selten mit zweistelligen Milliardenbeträgen jonglieren, und sich für ihre Spekulationen vielfach hohe Beträge ausleihen. Geht das Geschäft schief, reißen sie gleich ihre Partnerbanken mit in den Abgrund, so die Befürchtung der Hedgefonds-Kritiker. Fast geschehen wäre das erstmals Ende der 1990er Jahre, als der Fonds "Long-Term Capital Management" nach Fehlspekulationen spontan vier Mrd. Dollar verlor. Nur eine koordinierte Rettungsaktion der US-Notenbank und mehrerer Großbanken konnte einen Dominoeffekt vermeiden.
Widmeten sie sich die Hedgefonds traditionell vor allem Wetten auf alle möglichen Entwicklungen der Finanzmärkte - etwa Rohstoffpreise oder Wechselkurse-, kaufen sie sich heute zunehmend in Konzerne und Banken ein. In Österreich ist der US-Fonds Cerberus seit dem Kauf der krisengebeutelten früheren Gewerkschaftsbank Bawag ein Begriff. Er hatte die BayernLB mit einem Angebot von 3,2 Mrd. Euro ausgestochen.
Wissen
Ein Hedgefonds (englisch to hedge: absichern) ist ein Fonds, der unterschiedliche Risikowahrnehmungen im Markt ausnutzt und damit oft beträchtliche Gewinne erzielt.
Da Hedgefonds keinen Anlagerichtlinien unterliegen und alle Formen der Kapitalanlage nutzen, zeichnen sie sich durch ein höheres Risiko als normale Investmentfonds aus.
Hedgefonds wurden in der jüngsten Vergangenheit häufig "Heuschrecken" genannt, weil sie bisweilen mit hohen Krediten ganze Konzerne aufkaufen, zerlegen und die Einzelteile dann Gewinn bringend weiter verkaufen.