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Finanzminister präsentiert Budget

Von Jonas Achorner

Politik

Protest ist aufgrund Milliardenkürzungen im Sozialbereichsicher garantiert.


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Ein roter Koffer. Mit einem ausgestreckten Arm hält der britische Finanzminister George Osborne die "Budget-Box" jenen Fotografen entgegen, die vor dem Sitz des Premierministers in Downing Street 10 warten. Die Dokumente in dieser kleinen Box bestimmen die finanzielle Zukunft Großbritanniens. George Osborne hat am Mittwoch sein erstes Budget als Schatzkanzler Großbritanniens präsentiert. Begleitet wurde er von Protesten auf der Straße und im britischen Unterhaus.

Der Tradition nach dürfte der Finanzminister bei der Haushaltsrede als einziger Alkohol konsumieren. Doch George Osborne verzichtete. Nüchtern betonte er zum Beginn seiner Rede: "Ein Budget, eine Nation". Ein Ruf, der wohl an die abtrünnigen Schotten gerichtet war. Angesichts der Krise in Griechenland sei es besonders wichtig, dass ein Budget finanzielle Sicherheit gewährleistet. Großbritannien solle wieder schwarze Zahlen schreiben und im Jahr 2017 die Maastricht-Kriterien erfüllen. Somit muss das Budgetdefizit dann unter drei Prozent liegen. Osborne will bis 2020 zugleich die Verschuldung gemessen am Bruttoinlandsprodukt von 80,3 Prozent auf 68,5 Prozent senken.

Very british - Austeritätspolitik

Um das zu erreichen, will die britische Regierung allein zwölf Milliarden Pfund (16,7 Milliarden Euro) in der sozialen Fürsorge kürzen. Sozialleistungen für erwerbsfähige Briten sollen in den nächsten vier Jahren nicht erhöht werden. Gleichzeitig soll die Einkommensobergrenze für die staatliche Haushaltsunterstützung von umgerechnet 36.000 Euro zu ungefähr 32.000 in London bzw. 27.700 Euro außerhalb der teuren Hauptstadt reduziert werden. Gekürzt wird auch das Kindergeld, das ab 2017 nur mehr für höchstens zwei Kinder ausgezahlt wird. Auch werden die Zuschüsse für Studierende von einkommensschwachen Familien in nachgelagerte Schulden umgewandelt. Das heißt, dass die Studenten diese später an den Staat zurückzahlen müssen, wenn ihr Gehalt 20.000 Pfund übersteigt. Dadurch erhofft sich die Regierung Einsparung von 2,5 Milliarden Pfund (3,46 Milliarden Euro). Gleichzeitig wird das Gehalt von Beamten in den nächsten vier Jahren um nur einen Prozent erhöht.

Mehr finanzielle Unterstützung gibt es für das staatliche Gesundheitssystem NHS. Bis 2020 erhält es jährlich acht Milliarden Pfund (11.1 Milliarden Euro) an Zuschüssen. Reduzieren will die Regierung die Steuern für Unternehmen. Bis 2020 werden sie auf 18 Prozent gesenkt. Erst ab einem Wert von einer Milliarde Pfund soll das Erben steuerbelastet werden. Die Ausgaben für das britische Militär müssen durch dieses Budget auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht werden. Eine Forderung, die die NATO an ihre Mitgliedsländer stellt.

Steuerliche Erleichterungen sind für den Bankensektor geplant. Zwar müssen Finanzinstitute zukünftig eine achtprozentig höhere Gewinnsteuer an den Fiskus abliefern, jedoch werden die Bankenabgabe in den nächsten sechs Jahren reduziert und sollen danach abgeschafft werden. So sollen einerseits die Banken in Krisenzeiten entlastet werden, andererseits der Staat mehr Einnahmen generieren. 2011 hatte Großbritannien die Bankenabgabe gegen großen Widerstand des für das Land wichtigen Wirtschaftssektors eingeführt, um die Auswirkungen der Finanzkrise zu bekämpfen.

Zudem löste die konservative Alleinregierung ein zentrales Wahlversprechen ein. Sie hob die Grenze für den steuerfreien Grundverdienst auf jährlich 11.000 Pfund (15.241 Euro). Auch die Hürde für einen Steuersatz von 40 Prozent wurde auf 43,000 Pfund (59.577 Euro)erhöht.

Osbornes goldener Moment

Das Herzstück seiner Haushaltsrede sparte sich Osborne bis zum Schluss auf. Bis 2020 will die britische Regierung den Mindestlohn von Arbeitnehmer über 25 Jahre erhöhen – auf 9 Pfund (12,47 Euro) die Stunde. Osbornes Parteikollegen begrüßten diese Ankündigung mit frenetischem Applaus. Sichtlich zufrieden setzte sich Osborne und trank sein Mineralwasser aus.

Auf den Applaus im Unterhaus folgte jedoch Kritik. Carolin Lucas ist nur eine von vielen Stimmen, die das Budget beanstanden. Das einzige Mitglied der Grünen im britischen Unterhaus führte an, dass die Reduzierung der Obergrenze für die Haushaltunterstützung 40.000 Kinder in die Armut treiben würde.

Die Labour Party, die größte Oppositionspartei im Parlament, nannte zahlreiche Bedenken. Sie veröffentlichte unter anderem eine Statistik, die zeigt, dass eine Alleinverdienerin mit 16 Wochenstunden und zwei Kindern durch Osbornes Budget umgerechnet 554,20 Euro erhält, während sie gleichzeitig 1.192 Euro verliert.

Vor den Mauern in Westminster, dem Sitz des Unterhauses, protestierten zahlreiche Menschen. "Menschen vor Profit" war auf ihren Schildern zu sehen. In Großbritannien wird in den nächsten Tagen viel gerechnet werden.