Vierzig Bürgermeister machten gestern auf die brenzlige Finanzlage der Städte aufmerksam, sie fordern im Zuge des Finanzausgleichs mehr Geld vom Bund. Der österreichweite Aktionstag stand unter dem Motto: "Wer mehr leistet, muss mehr kriegen!"
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Wiens Bürgermeister Michael Häupl betonte in seiner Funktion als Städtebund-Präsident, dass "die Städte nicht ausgehungert" werden dürften. Sie würden Leistungen von überregionaler Bedeutung erbringen, die auch finanziell abgegolten werden müssten. Er warnt: Sollten die Vorschläge des Finanzministers zum Finanzausgleich Realität werden, könnten die größeren Kommunen ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen.
Wiens Finanzstadtrat Sepp Rieder legte nach: Irgendwann hätte die Solidarität ihre Grenzen, die Städte seien nicht die Melkkühe der Nation. Denn bisher hätte von jeder Steuererhöhung allein der Bund profitiert, die Einnahmen der Gemeinden und Länder gingen aber seit 1990 stetig zurück. Innerhalb weniger Jahre habe der Finanzminister 1,3 Prozent der Steuereinnahmen - zuletzt 53 Mrd. Euro - zu sich umgeleitet. Pro Jahr mache das 700 Mill. Euro aus. Im selben Atemzug hätten die Gemeinden aber Aufgaben des Bundes wie Melde- und Fundwesen, Passanträge und Gewerbeordnung übernommen, die Zusatzkosten verursachen.
Den Grasser-Vorschlag die Steuerautonomie künftig den Ländern umzuhängen, hält Häupl für nicht durchdacht. Immerhin gebe es in einigen Bereichen eine solche Autonomie bereits. Sollte der Finanzminister es damit ernst meinen, dann würden die Länder dem Bund nur soviel Geld zuteilen, als er tatsächlich braucht.
Häupl weist darauf hin, dass Wien de facto Nettozahler ist. Die Bundeshauptstadt zahle jährlich um 760 Mill. Euro mehr in den gemeinsamen Topf ein, als sie herausbekommt: "Wenn wir alle Einnahmen behalten könnten, mache ich aus Wien eine goldene Stadt." Mit den zugeteilten 2,9 Mrd. Euro würden Leistungen für die ganze Ostregion erbracht: Die Gastpatienten kosten pro Jahr 230 Mill. Euro, 50 Mill. Euro würden die Wiener Linien für Nicht-Wiener aufwenden und die Kultureinrichtungen stünden allen Österreichern offen.
Wieviel Wien beim Finanzausgleich für sich herausreißen will, legen die Verhandler nicht dar. Es müsse nicht unbedingt mehr Geld sein, sofern der Bund bereit sei, Aufgaben zu übernehmen. Rieder schlägt einmal mehr vor, die Landeslehrer abzugeben - die "Wiener Zeitung" berichtete. Städtebund-General Erich Pramböck kann sich auch vorstellen, dass die Sozialhilfe Bundessache wird.
Im Zuge des Aktionstages protestierten keineswegs nur "rote" Bürgermeister. So gab es einen Hilfeschrei aus Graz. Siegfried Nagl (V) wies auf die dramatische Finanzsituation aller Städte hin. Kämpferisch gab sich auch Innsbrucks Bürgermeisterin Hilde Zach (V): "Wir müssen uns rechtzeitig wehren". In diesem Punkt sind sich alle Stadtoberhäupter, egal welche Couleur, einig. Am Städtetag nächste Woche in Bregenz wird weitergekämpft.