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Finanzpolizei wird auf 1000 Beamte verdoppelt

Von Reinhard Göweil und Simon Rosner

Politik

Bankgeheimnis fällt sofort, da Banken größere Barabhebungen rückwirkend erfassen und 2016 melden müssen.


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Wien. Das Einfamilienhaus ist zu klein geworden, ein kleiner Zubau ist notwendig. Praktisch, dass der Besitzer wen kennt, der wen vermittelt, der an ein paar Freitagen und Samstagen das Haus den neuen Bedürfnissen anpasst. Ohne Rechnung, bar auf die Hand. Es ist ein Geschäft, von dem drei Seiten profitieren. Der Kunde, der sich den Zubau leisten kann. Der Bauarbeiter, der damit sein Gehalt aufbessert, um auf Skiurlaub fahren zu können. Die Baufirma, die ihren Beschäftigten weniger zahlt, ihm dafür aber am Freitag solche "Freiheiten" einräumt.

Dieses Geschäft kennt einen Verlierer: den Staat, der um Steuer- und Sozialabgaben umfällt. Die Steuerreform soll diesen Abgabenbetrug massiv bekämpfen - und 1,9 Milliarden Euro bringen. Dafür müsste der Pfusch massiv eingedämmt werden.

Wenn die Kassa nicht klingelt...

Ökonom Friedrich Schneider von der Uni Linz, der sich seit Jahren wissenschaftlich mit der Schattenwirtschaft beschäftigt, kann die Zahlen der Regierung nicht nachvollziehen. So wollen SPÖ und ÖVP allein durch die Registrierkassenpflicht für Wirte 900 Millionen Euro lukrieren, Schneider glaubt hier an maximal 100 Millionen Euro. Ein Wirt, der verständlicherweise anonym bleiben wollte, sieht ebenso wenig Sinn in der Maßnahme. "Dann werden halt manche nicht mehr jede Bestellung in die Registrierkassa einbuchen. Wie soll das kontrolliert werden?"

Insgesamt kommt der in Linz lehrende Ökonom Schneider bei der Betrugsbekämpfung auf ein Volumen von maximal 900 Millionen Euro, also nicht einmal der Hälfte von jenem Betrag, der ab 2016 ins Budget fließen soll. "Das ist alles naiv, man wird den Pfusch nicht auf Null bringen", sagt Schneider, der auch darauf verweist, dass Österreich eines jener Länder ist, in dem die Steuermoral sehr hoch ist. "Wir sind sicher nicht Klein-Griechenland, man soll nicht alle unter Generalverdacht stellen."

Die am Dienstag im Ministerrat eingebrachten Maßnahmen sind ziemlich umfassend. So wird es "Mystery Shopping" bei Ärzten geben, um den Missbrauch bei Krankenständen und der E-Card zu bekämpfen - inklusive Strafen für Ärzte, die der Ausweispflicht nicht nachkommen.

Vorgesehen sind auch verstärkte Kontrollen im privaten Hausbau, höhere Strafen bei gewerbsmäßigem Pfusch, bis hin zum Barzahlungsverbot in der Baubranche bei Geschäften zwischen Unternehmen.

Steuerberater Werner Hallas kann einem Teil der Maßnahmen viel abgewinnen. Hallas hat als Gutachter vor Gericht immer wieder mit Scheinverträgen zu tun. Das Barzahlungsverbot sowie die mittelfristig geplante Umstellung der Steuerschuld, um Mehrwertsteuerbetrug zu unterbinden ("Reverse charge"), hält er für wichtige Schritte der Regierung. Dieser Vorsteuerbetrug soll recht umfangreich sein, ist allerdings eher im Bereich "organisierte Kriminalität" angesiedelt, und nicht beim Wochenend-Pfuscher. Die EU bereitet hier eine Regelung vor, die dann für alle 28 Mitgliedsländer gelten soll. Im Regierungsbeschluss wird auch auf verbotene Mineralölgeschäfte Bezug genommen, sowie illegales Online-Glücksspiel.

Aus diesem Grund wird die seit 2013 bestehende Finanzpolizei, die den Finanzämtern "zuarbeitet", auch gewaltig aufgestockt. Von derzeit 511 Mitarbeitern, die auf die 43 Ämter aufgeteilt sind, kommen weitere 500 dazu, bestätigte das Finanzministerium der "Wiener Zeitung". 2014 wurden von der Finanzpolizei 34.000 Betriebe geprüft, 2012 waren es 31.000. Geprüft wird nicht nur Steuerbetrug, sondern auch illegale Beschäftigung.

Gemeinsam ist den im Ministerrat beschlossenen Maßnahmen ihr Kontrollcharakter. Anreize, den Schritt aus der Schattenwirtschaft hinaus zu machen, finden sich im Paket der Regierung nicht, kritisiert Schneider. "Der Handwerkerbonus wird nicht einmal mehr mit einer Zeile erwähnt", sagt Schneider.

Anreizsysteme hätten den Vorteil, dass die getätigten Geschäfte nicht verloren gehen, sondern in den offiziellen Bereich wandern. Allerdings kosten Anreize der öffentlichen Hand Geld.

Pfusch als Wohlfahrtseffekt

Der nun ausgerufene Kampf gegen den Pfusch wirft auch eine andere Frage auf, die bei der Beurteilung des Nutzens dieser Reform eine ganz wesentliche Rolle spielen wird: Wie wirkt sich ein Zurückdrängen des Pfuschs auf den Konsum jener auf, die bisher davon profitiert haben? Wird sich der Hauseigentümer den Zubau leisten wollen? Kann der Bauarbeiter auch weiterhin auf Skiurlaub gehen? "Der Pfusch hat auch Wohlfahrtseffekte. Ich kenne niemanden, der fürs Sparbuch im Pfusch arbeitet", sagt Schneider.

Zur klassischen Schwarzarbeit haben sich in den vergangenen Jahren auch immer neuere Erwerbsmöglichkeiten gesellt, die vor allem durch das Internet befördert werden. Das sind etwa kleine Online-Shops sowie viel diskutierte Sharing-Modelle, oft von US-amerikanischer Provenienz, wie der Taxi-Dienst Uber oder die private Vermietung von Zimmern und Apartments über Plattformen wie Airbnb. Es sind Angebote, die sich in den Graubereich zwischen Nachbarschaftshilfe und klassischem Unternehmertum drängten - und diesen Graubereich nach allen Seiten hin ausdehnten. Und die Standesvertreter der Freizeitwirtschaft auf den Plan rufen (siehe Seite 11). "Bei Airbnb wird völlig weggeschaut", kritisiert Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). Das Angebot in Wien entspreche 30 Hotels in Größe ihres Betriebs (Reitterers Boutique Hotel Stadthalle hat 79 Zimmer). Tourismus-Spartenobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher kritisiert, dass Anbieter über Plattformen wie Airbnb sich nicht an die Gewerbeordnung halten und wenig bis gar keine Abgaben leisten.

"Man sollte solche Initiativen fördern und nicht abwürgen", sagt Schneider. Die öffentliche Hand würde auch nicht gänzlich um Einnahmen umfallen. Durch die private Zimmervermietung können zum Beispiel mehr Touristen eine Stadt wie Wien leisten. "Man müsste darauf halt intelligent reagieren, etwa wenn man 5000 Euro komplett steuerfrei stellt und bis 10.000 Euro eine Pauschalsumme einhebt", sagt der Volkswirt. Damit könnte der Staat auch direkt partizipieren.

Bankgeheimnis per sofort weg

Seit dem gestrigen Regierungsbeschluss ist nun klar, dass das Bankgeheimnis de-facto sofort abgeschafft wird. Um Steuersündern auf die Spur zu kommen, müssen Banken "höhere Kapitalabflüsse" von Konten per 15. März (also rückwirkend) dokumentieren, und 2016 den Finanzbehörden melden. So sollen sogenannte "Abschleicher" vermieden werden. Was ein höherer Kapitalabfluss ist, wollte der Finanzminister am Dienstag nicht präzisieren. "Das wird im Rahmen der Legistik festgesetzt", so die Sprecherin Schellings.

Die Banken jedenfalls stehen noch vor einem großen Rätsel. Sie müssen eine zentrale Konto-Evidenz für alle aufbauen, die von den Finanzbehörden ab 2016 jederzeit abgerufen werden kann. Und zwar nicht nur bei Betriebs- oder Umsatzsteuer-Sonderprüfungen, sondern auch bei Sozialversicherungs-Kontrollen. Und bei Privaten, wenn der Verdacht von Schwarzarbeit besteht.

Ebenso unklar ist, ob sämtliche höheren Barabhebungen seit 15. März dieses Jahres erfasst und 2016 gemeldet werden müssen, unabhängig davon, ob das Geld versteuert wurde oder nicht.