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Finanzreform als "Attrappe": Prager Premier geschwächt

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Klausmann

Europaarchiv

Mirek Topolánek will Steuersenkung - und erntet Kritik. | Prag. Tschechiens Regierung steht auf wackligen Beinen. Ministerpräsident Mirek Topolánek (ODS) kämpft an mehreren Fronten, um die Koalition aus Bürgerpartei (ODS), Christdemokraten (KDU-CSL) und Grünen (SZ) zusammenzuhalten.


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Eine heftig diskutierte Finanz- und Steuerreform und ein umstrittener Vizepremierminister schwächen Topoláneks Position. Zuletzt hat er das Weiterbestehen seines Kabinetts von den geplanten Finanzreformen, den weitreichendsten in der Geschichte der Tschechischen Republik, abhängig gemacht. "Falls das Abgeordnetenhaus sie im August oder spätestens September nicht beschließt, dann fällt die Regierung," droht der Premier.

Zentraler Punkt der Reformen ist die Senkung der Einkommenssteuer auf einheitliche 15 Prozent. Damit hätte Tschechien die niedrigste Steuer in ganz Europa. Doch der Schein trügt. Denn gleichzeitig mit dem Steuersatz will die Regierung auch die Steuergrundlage ändern. Die Einkommenssteuer soll nicht mehr, wie allgemein üblich, anhand des Bruttogehalts berechnet werden, sondern anhand des "Arbeitgeberbruttos", also des Bruttogehalts plus Sozial- und Krankenversicherung, die der Arbeitgeber abführt.

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Das bedeutet nicht nur, dass Abgaben an den Staat noch einmal versteuert werden. Es bedeutet auch, dass sich die steuerliche Grundlage um Sozial- und Krankenversicherung erhöht und die 15 Prozent sich auf einen Lohn beziehen, der gar nicht ausgezahlt wird. Umgerechnet auf den eigentlichen Bruttoverdienst und im Vergleich mit der alten Steuerbasis würde die neue Einkommenssteuer nicht wirklich 15 sondern 23,4 Prozent betragen.

Unzufrieden mit der Reform ist vor allem der Finanzexperte der ODS, Vlastimil Tlusty: "Das ist nur die Attrappe einer Reform, die nichts Positives bringt," sagt Tlusty und droht, dagegen zu stimmen. Dabei ist Tlustys Stimme lebensnotwendig für eine Regierung, deren Mehrheit auf zwei Überläufer aus den Reihen der Opposition beruht.

Nicht nur aufmüpfige Finanzexperten bereiten Topolánek Kopfzerbrechen, sondern auch die Koalitionspartner. Seit Monaten umstritten ist der Chef der Christdemokraten, Jiri Cunek. Er hat es bis dato nicht geschafft, den gegen ihn bestehenden Korruptionsverdacht aus der Welt zu räumen. Wahrscheinlich ist, dass der Fall nach Ende der polizeilichen Untersuchungen im Mai vor Gericht enden wird. Für die Grünen, Präsident Vaclav Klaus und einen nicht unbeträchtlichen Teil der tschechischen Öffentlichkeit ist jetzt schon klar, dass Cunek in der Sache nicht unschuldig ist. Der christdemokratische Vizepremier ist überdies für seine rassistischen Äußerungen gegenüber der Roma-Minderheit berüchtigt. Die bezeichnete er als "Geschwür", das "Dreck macht". Am Mittwoch kam es deshalb in Prag zu Demonstrationen gegen Cunek.