Die EU-Kommission ist vorgeprescht, weil sie durch eine Steuer mehr Geld lukrieren will. Österreichs Bundesregierung geht den Weg unbeirrt weiter.
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Die österreichische Bundesregierung zeichnet sich bei existenziellen Fragen Europas und unseres Landes durch mythenmächtige Hartnäckigkeit, heldenhaften Kampfeseifer und blindwütige Realitätsverweigerung aus. Beispiele gefällig? Die anonymen Sparbücher als Teil einer unverrückbaren heimischen Sparkultur, die österreichische Neutralität, ein atomstromfreies Europa und die Finanztransaktionssteuer. Um Letztere geht es hier.
Im Herbst des vorigen Jahres hat die Europäische Kommission einen - schwach argumentierten - Vorschlag zur Einführung einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer vorgelegt. Die Begründung: Der Finanzsektor leiste damit einen angemessenen Beitrag zu den Kosten der Krise. Davon, dass eine solche Steuer zur Stabilität des Finanzsystems beitragen könnte, ist - zu Recht - längst keine Rede mehr. Es geht um Cash.
Trotz der Erkenntnis, dass eine Finanztransaktionssteuer sinnvollerweise weltweit gelten müsste, rechtfertigt die EU-Kommission ihr Vorpreschen folgendermaßen: Sie möchte sich damit in eine Position begeben, in der sie sich im Rahmen der G20 für eine weltweite Steuer einsetzen kann. Das erinnert frappant an die erfolglosen Alleingänge der europäischen Klimapolitik.
Vor allem aber hat die Kommission ihren Vorschlag geschickt dazu genutzt, ein langjähriges Anliegen zu forcieren, nämlich ihr direkt zufließende Einnahmen aus einer EU-weiten Steuer. Die Beute der Finanztransaktionssteuer soll zwischen EU-Budget und nationalen Budgets aufgeteilt werden.
Von vornherein war klar, dass es keine Einstimmigkeit für eine Finanztransaktionssteuer geben würde. Das konnte Österreichs Kanzler, Vizekanzler und Finanzministerin nichts anhaben. Selbst als der deutsche Finanzminister öffentlich Zweifel an der Realisierung äußerte, verteidigten sie das Projekt unbeirrt weiter und beharrten darauf, die Erträge einer solchen Steuer im Sparpaket festzuschreiben.
Einen "Plan B" gab es, wie in Österreich üblich, nicht. Das, was für jedes Unternehmen selbstverständlich ist, nämlich für gar nicht so unwahrscheinliche Alternativszenarien gerüstet zu sein, wird ja von österreichischen Politikern als Entscheidungsschwäche betrachtet.
Wie das Finanztransaktionssteuer-Phantom zur Ruhe kommen wird, liegt auf der Hand. Es wird eine Steuer auf den Handel von börsenotierten Wertpapieren geben. Für Österreich ein Déjà-vu-Erlebnis, wurde doch die hiesige Börsenumsatzsteuer im Jahr 2000 abgeschafft, um den österreichischen Kapitalmarkt zu attraktivieren. (Aber wer weiß noch um die Bedeutung eines funktionierenden Kapitalmarkts für die viel zitierte "Realwirtschaft"?) Selbst Großbritannien mit seiner "Stamp Duty" auf Aktientransaktionen könnte einer solchen europaweiten Regelung zustimmen.
Diese Steuer zahlen zu einem erheblichen Teil die Unternehmen der "Realwirtschaft" und - wie üblich - der Mittelstand, der seine Ersparnisse nicht nur in Sparbüchern anlegt, sondern auch Lebensversicherungen abschließt oder einen Firmenpensionsanspruch hat.