Der Vorsitzende der Europäischen Bankenvereinigung über Bankenregulierung, Stresstests und die Euribor-Untersuchung.
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Salzburg. Wim Mijs, ab September Chef der Vertretung von 4500 europäischen Banken, spricht im Interview mit der "Wiener Zeitung" über den Banken-Stress-Test, Sondergesetze wie bei der Hypo Alpe Adria und Erwartungen an die neue EU-Kommission.
"Wiener Zeitung": Die Bilanzprüfung und der Stress-Test bei Europas größten Banken sind aktuell am Laufen und waren schon Thema hier beim Salzburg Global Seminar. Werden solche Stress-Test-Übungen in den kommenden Jahren zur Normalität für Europas Banken?Wim Mijs: Diese beiden Instrumente sind besonders zentral für den neuen Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM) für Banken. Die Europäische Bankenvereinigung (EBF) unterstützt diesen neuen Mechanismus sehr. Es ist beeindruckend, was in einem Jahr geschaffen wurde. Damit der SSM funktioniert, müssen die teilnehmenden Banken sauber durch das Tor gehen. Während des Prozesses, der für die Banken manchmal herausfordernd war, da sie ihre gesamten Bilanzen offenlegen mussten, war der Dialog mit der Europäischen Zentralbank (EZB) über die Methodik sehr offen. Ich war von der Professionalität und Offenheit der EZB bei dieser Aufgabe beeindruckt.
Ihre Organisation vertritt 4500 europäische Banken, dem Stress-Test werden aber nur 128 unterzogen. Natürlich sind das die größten Burschen am Bankenmarkt, aber besteht nicht die Gefahr, dass die größeren Risiken für Europa in den übrigen knapp 4400 Banken liegen?
Man kann nicht 4500 Banken in Europa in einer Prüfung testen. Das ist unmöglich. Also nahm die EZB die systemrelevanten Banken zuerst und widmet sich diesen. Ich stimme zu, dass die kleineren Banken ein Systemrisiko darstellen können, aber ich glaube seit der Finanzkrise wissen die nationalen Aufseher ganz gut, was sie in ihrem Land haben und was sich entwickeln muss. Das direkte Risiko für die Steuerzahler liegt natürlich bei den großen Banken. Denn mit allen Abwicklungs- und Einlagensicherungsmechanismen können die meisten Banken von der Finanzindustrie selbst aufgefangen werden. Aber ich denke, auch alle kleineren Banken werden den Unterschied in der Kultur merken. Es wird einen neuen Stil in der Aufsicht geben.
Eine der Banken in Österreich mit großen Problemen ist die Hypo Alpe Adria. Die österreichische Regierung hat Nachranggläubiger bei der Abwicklung der Bank mit einem Sondergesetz beteiligt. Die österreichischen Banker waren alles andere als begeistert. Was hält die EBF von solchen Sondergesetzen?
Ich kenne die Details dieses Falls nicht, aber mein allgemeiner Kommentar ist: Was man immer zu vermeiden trachten sollte, ist die Notwendigkeit von nachträglicher Gesetzgebung. Denn das bedeutet, die Feuerwehr zu organisieren, nachdem das Haus abgebrannt ist. Das ist niemals ideal. Ich hoffe mit der EU-Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Banken braucht es keine nachträgliche Gesetzgebung mehr.
Zurück zur Zukunft und zu Ihrem neuen Job bei der EBF. Dort beginnen Sie Anfang September, eine neue Kommission wird wohl im Herbst starten. In welche Richtung sollen sich die europäischen Regulierungen Ihrer Meinung nach entwickeln?
Es wurde bereits sehr viel notwendige Regulierung geleistet. Nun muss der Fokus auf der Implementierung liegen. Es ist alles da, die nun bald aus dem Amt scheidende EU-Kommission hat viel getan. Es braucht also keine neuen Maßnahmen.
Ideen wie eine Strukturreform?
Schlechte Idee - nicht notwendig.
Finanztransaktionssteuer?
Schlechteste Idee - nicht notwendig. Der Fokus der Kommission soll auf dem Binnenmarkt und Wirtschaftswachstum liegen. Es wird also eine Wachstum-und-Arbeitsplätze-Kommission werden, das ist klar und auch richtig. Also sollte sich die Kommission dem Aktionsplan für Finanzdienstleistungen, den scheinbar alle vergessen haben, widmen und ambitioniert sein, den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen wieder in Gang zu bekommen. Jean-Claude Juncker hat eine Kapitalmarktunion in Europa vorgeschlagen - eine gute Idee. Die Banken sollen mithelfen, das zu etablieren.
"Der Euribor war immer vertrauenswürdig"
Die "Wiener Zeitung" hat Wim Mijs im Interview auch zu seiner endenden Funktion als Präsident des Euribor-Gremiums befragt. Um die Trennung der beiden Funktionen zu unterstreichen, wird dieser Teil des Interviews extra angeführt.
Herr Mijs, sie sind aktuell auch Präsident des Euribor-Gremiums ...
Stimmt, seit Jänner 2013, aber ich werde zurücktreten, wenn ich als Vorstandsvorsitzender bei der EBF beginne. Sie können mich aber gerne zu Euribor auch befragen.
Es gab eine Untersuchung durch die EU-Kommission wegen befürchteter Manipulation beim Interbanken-Zinssatz Euribor. Der wurde neu aufgesetzt, ist Euribor damit wieder vertrauenswürdig?
Ich würde sagen, der Euribor war schon immer vertrauenswürdig. Das Wort "wieder" weise ich zurück. Die Euribor-Bewertung funktionierte aufgrund der großen Bandbreite. Zumindest 44 Banken in ganz Europa machten den Zinsindex. Also konnten sich die für die Indizierung Verantwortlichen in verschiedenen Ländern und Sprachen nicht so einfach kennenlernen. Außerdem waren sehr unterschiedliche Banken im Ausschuss: große, kleine, spezialisierte Banken, Sparkassen und so weiter. Diese Vielfalt half dem Euribor. Also noch einmal: Der Euribor war vertrauenswürdig und ist es immer noch - Punkt. Er ist jetzt für die Zukunft besser gerüstet und moderner.
Also war der Euribor aufgrund des Skandals beim Libor nur ein einfaches Ziel für die EU-Kommission?
Ich glaube, wir haben es heraufbeschworen. Keiner kümmerte sich um Referenzzinssätze, das ist das Problem. Referenzzinssätze waren langweilig. Aber es stellte sich heraus, dass diese Zinssätze essenziell sind. Und ein Referenzzinssatz funktioniert nur, wenn er transparent und ehrlich ist. Eines der guten Dinge am Libor-Skandal ist, dass das Interesse an Referenzzinssätzen groß ist - manche finden fast zu groß -, man einen guten Dialog mit den Aufsehern führen kann und jeder genau weiß, worum es geht. Der Job der Index-Verantwortlichen in den Banken, der ein unterschätzter Job war, ist nun ein klar definierter, überwachter Job mit klaren Vorschriften. Das verstärkte Interesse in unserer Industrie an diesen Zinssätzen kann nur gut sein.
Wim Mijs,geboren 1964, ist ab 1. September Vorstandsvorsitzender der Europäischen Bankenvereinigung EBF. Diese ist die Stimme von 4500 europäischen Banken. Der Niederländer war seit 2007 Chef der niederländischen Bankenvereinigung und ab 2013 zusätzlich Präsident des Euribor-Gremiums. Beide Funktionen legt er nun zurück. Mijs war als Redner beim "Salzburg Global Seminar" in Salzburg.