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Fingerspitzengefühl gefragt

Von Brigitte Pechar

Politik

EU-Minister Schallenberg bereitet in Brüssel das Terrain für Kanzlerin Bierlein auf.


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Wien/Brüssel. Die EU-Kommission hat "volles Vertrauen" in Österreichs Übergangsregierung, wie ein Sprecher der EU-Behörde am Montag sagte. "Wir haben volles Vertrauen in die nationalen verfassungsgemäßen Verfahren und in Bundespräsident (Alexander) Van der Bellen", sagte der Sprecher in Brüssel zur Bildung der Regierung, die aus Spitzenbeamten und Experten gebildet und am Montag angelobt wurde.

Die EU-Kommission werde mit der österreichischen Übergangsregierung ebenso wie mit den anderen 27 EU-Staaten bis zur vorgesehenen Neuwahl im September zusammenarbeiten, hieß es.

In Brüssel stehen nach der EU-Wahl am 26. Mai Veränderungen im Parlament und der Kommission an. Zwar blieben die Konservativen auch zuletzt die stärkste Kraft, sie haben aber mit ihrem Spitzenkandidaten Manfred Weber von der bayrischen CSU stark eingebüßt. Die europäischen Sozialdemokraten mit Frans Timmermans sind zwar weiterhin zweite Kraft, aber auch sie mussten Verluste hinnehmen. Beide sind so stark geschrumpft, dass sie nicht wie bisher die Positionen untereinander aufteilen können. Es müssen also Verhandlungen geführt werden. "Österreich hat zweifellos gute Experten, es braucht dort aber auch einen politischen Kopf", sagte zuletzt Österreichs Kommissionsmitglied Johannes Hahn in einem Interview mit "Der Presse". "Bei allem Respekt" mache es einen Unterschied, "ob jemand rein aus Expertensicht agiert oder ob politische Parameter einfließen". Mit Kurz hatte Hahn zufolge Österreich die "besten Voraussetzungen" gehabt, nicht nur die künftige personelle Ausrichtung der EU mitzugestalten, sondern auch die inhaltlichen Positionen für die nächsten fünf Jahre mitzubestimmen. Dazu gehört der mehrjährige Finanzrahmen der Europäischen Union.

Auf diesen hat am Montag auch Bundespräsident Van der Bellen in seiner Rede bei der Angelobung der Regierung hingewiesen und gleichzeitig den neuen Außen- und Europaminister Alexander Schallenberg erwähnt. Der Finanzrahmen, also das Budget der EU, ist eine wichtige Angelegenheit. Da geht es darum, wie künftige Förderungen zu vergeben sind. Schon am 14. Juni treffen sich die Wirtschafts- und Finanzminister zu einem Rat, wo Eduard Müller sein wird.

Schallenberg hat dann am 17. und 18. Juni Gelegenheit, beim Rat der Außenminister und beim Allgemeinen Rat, den die Europaminister bestreiten, Position zu beziehen. Die Europaminister bereiten in der Regel den Rat der Regierungschefs (20. und 21. Juni) vor. Wirklich beschossen wird ja noch nichts, aber es geht eben um die politische Debatte um die Person des künftigen Kommissionspräsidenten. Schallenberg kennt als langjähriger Diplomat das politische Gefüge und er kennt auch die handelnden Personen sehr gut. Ob sein politisches Gewicht so - unverhältnismäßig - groß im Vergleich zur Größe des Landes sein wird wie jenes von Kurz, wird man sehen. Formal ist dabei noch gar nichts zu beschließen, es wird einzig und allein einmal das Terrain abgesteckt. Aber es geht eben um politische Einflussnahme. Der EU-Kommissar wird überhaupt erst viel später, möglicherweise erst durch die neu gewählte Regierung, bestimmt.

Die jetzige Regierung wird solche Fragen im Ministerrat - in dem weiterhin das Prinzip der Einstimmigkeit gilt - abklären. Das Parlament kann für oder gegen einen Regierungsvorschlag sein. Es kann von sich aus nichts vorschlagen. Aber natürlich wird es so sein, dass die neue Regierung über Personalentscheidungen mit den Parlamentsparteien Rücksprache halten wird.

Theoretisch könnte bei der konstituierenden Sitzung des EU-Parlaments am 2. Juli bereits über den neuen EU-Kommissionspräsidenten abgestimmt werden, aber wahrscheinlich ist das nicht, da sich die Kandidaten dafür vorher noch Hearings stellen müssen.