Kaum hat Silvio Berlusconi die Regierungskrise nach den verlorenen Regionalwahlen von Anfang April durch die Umbildung seiner Regierung umschifft, droht ihm die nächste Kabinettskrise: Sein Stellvertreter, Außenminister Gianfranco Fini, hat angekündigt, dass er am 12. und 13. Juni drei der vier von der Opposition angestrebten Referenden zur Änderung der Gesetze über die künstliche Fortpflanzung unterstützen wird.
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Die neue Hiobsbotschaft für den Premier kam nur einen Tag nach den Kommunalwahlen in den Regionen Sardinien, Aostatal und Südtirol-Trient, die mit Ausnahme des Bozener Ergebnisses für Berlusconis Parteienbündnis ebenfalls ein Debakel waren.
Mit den am 19. Februar des Vorjahres beschlossenen Gesetzen über die künstliche Fortpflanzung, die von einem Teil der Mitte-Linksopposition unterstützt worden waren, hatten die italienische Regierung klinische Versuche mit Embryonen, ihr Einfrieren und das Klonen zu therapeutischen Zwecken verboten. Weiters wurde die In-Vitro-Befruchtung von maximal drei Embryonen festgelegt und die Verpflichtung, sie in den Uterus der Mutter einzupflanzen. Diese beiden Bestimmungen wollen die Referendumsbefürworter ebenso wieder abschaffen, wie das Gesetz, das Embryonen mit schon Geborenen gleichstellt. Schließlich soll es künftig auch wieder möglich sein, eine künstliche Befruchtung per Samenspende durchzuführen. Das war durch das neue Gesetz zur künstlichen Befruchtung ebenfalls verboten worden.
Berlusconis stärkster Koalitionspartner Fini, Chef der postfaschistischen Alleanza Nazionale, ist zwar gegen künftige Samenspenden, die anderen Anliegen der Referendenbetreiber will er aber mit drei "Ja" am 12. Juni unterstützen.
Berlusconi, der selbst nicht an der Volksabstimmung teilnehmen will - wie es der Chef der italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Camillo Ruini, den Katholiken empfiehlt - wurde von der Ankündigung seines Stellvertreters völlig überrascht. "Was ist Gianfranco da wohl in den Sinn gekommen", fragte er perplex. Und auch die Koalitionspartner von der Lega Nord und der christdemokratischen UDC sind entsetzt. Diese Parteien wollen die Referenden boykottieren und durch eine zu geringe Beteiligung scheitern lassen.
Selbst in Finis eigenen Reihen regt sich heftiger Widerstand. "Dieser Wahnsinn wird uns teuer zu stehen kommen", ist man in der römischen Parteizentrale überzeugt. "Da haben wir Jahre gebraucht, um uns im Vatikan Glaubwürdigkeit zu erkämpfen und jetzt das".
Fini ist jedenfalls nicht der einzige Minister aus dem berlusconi-Kabinett, der die Referenden unterstützen will. Laut "la Repubblica" wollen auch Verteidigungsminister Antonio Martino, die Ministerin für die Gleichstellung, Stefania Prestigiacomo, und Europaminister Giorgio La Malfa mit "Ja" stimmen, einige weitere Minister sind noch unentschlossen.