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Finnische Schockwelle in der EU

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Brüssel wartet gespannt auf neue finnische Regierung. | Fürs Erste könnte es auch ohne Finnen funktionieren. | Brüssel. Der Wahlsieg der rechtspopulistischen "Wahren Finnen" im nördlichsten Euroland sendet Wellen der Verunsicherung durch die EU. Galt Finnland bisher stets als verlässlicher und uneingeschränkt pro-europäischer Partner, so könnte die komplette Neuverteilung der Parlamentssitze nicht nur das Hilfspaket für Portugal, sondern auch die bereits akkordiert geglaubte Aufstockung des Euro-Rettungsschirms gefährden. | Porträt Timo Soini | Verhandlungen über Portugal-Hilfe | Wahlsieger Timo Soini: 'Wir waren zu weich gegenüber Europa'


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Der Eurokurs fiel auch als Reaktion darauf zu Wochenbeginn vorübergehend unter 1,44 US-Dollar, liegt damit aber immer noch in der Nähe des bisherigen Jahreshochs.

Im Wahlkampf hatte sich der "Wahre Finne" Timo Soini sogar für einen Euro-Ausstieg, jedenfalls aber gegen die Eurorettungsschirme ausgesprochen. "Es ist nicht hinnehmbar, dass Finnland für die Fehler anderer bezahlt", sagte er am Montag. In die Verhandlungen über die neue finnische Regierung wird er aller Voraussicht nach eingebunden.

Die Europäer setzen ihre Hoffnungen auf die konservative Nationalpartei des bisherigen Finanzministers Jyrki Katainen, die stimmenstärkste Partei in Finnland wurde. Der Pro-Europäer Katainen - vermutlich der nächste Premierminister - hat bereits angekündigt, sich für die Fortsetzung des Solidaritätskurses einsetzen zu wollen.

Völlig offen bleibt, wie sehr sich Soini bei einer allfälligen Regierungsbeteiligung inhaltlich durchsetzen kann. Zumindest zur Rettung Portugals hatten sich auch die Sozialdemokraten skeptisch gezeigt. Denn Finnland ist das einzige Euroland, in dem die Unterstützung eines taumelnden Eurolands auch vom Parlament genehmigt werden muss. Mit Spannung erwartet werden daher die a Bildung der Regierung und deren europa- und europolitische Positionierung.

Die EU-Kommission und die Regierung in Berlin meinten unisono, dass Finnland wohl auch nach einem Regierungswechsel seine Verpflichtungen einhalten werde. Die Vorbereitung des Hilfspakets für Portugal werde fortgesetzt.

Brüten über Notfallpläne

Experten in Brüssel verweisen für den äußersten Notfall bereits darauf, dass die Rettungsschirme theoretisch auch ohne Zustimmung Finnlands auf den Finanzmärkten Geld für Portugal besorgen könnten: Beim Schirm der Euroländer, der "European Financial Stability Facility" (EFSF) müssten die Finnen "nicht aktiv Ja sagen", hieß es. Die Stimmen der anwesenden Euroländer würden ausreichen - "wenn der finnische Vertreter vor die Tür geht, passt es", meinte ein Experte. Für den EU-Schirm "European Financial Stability Mechanism" (EFSM) ist eine qualifizierte Mehrheit aller EU-Länder nötig, was ebenfalls ohne Finnland möglich wäre. Auch könnte sich der Internationale Währungsfonds eventuell bei den ersten Tranchen für die Portugiesen stärker engagieren.

"Schön ist das alles nicht", geben Experten zu. Früher oder später müsse zumindest die EFSF-Hilfe für Portugal durchs finnische Parlament. Und allerspätestens bei der geplanten Aufstockung des Euroschirms gehe nichts mehr ohne die Zustimmung Finnlands und daher der Mehrheit der Abgeordneten. Schließlich ist es eines der sechs Triple-A-Euroländer, die ihre Haftungen verdoppeln sollten, um den EFSF zu stärken.