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Nachwuchslücke schafft neue Bedingungen am Jobmarkt. | Experten fordern, Schleichwege in die Frühpension zu eliminieren. | Wien. Der Rückgang der Geburtenraten in den letzten Jahrzehnten führt europaweit zu einer demografischen Wende am Arbeitsmarkt: Innerhalb der EU gibt es 2010 weniger Berufseinsteiger als Personen, die altersbedingt aus dem Berufsleben ausscheiden.
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Für Österreich wird dieser Wendepunkt für 2015 prognostiziert: Konkret wird der Anteil der Jugendlichen von 504.000 auf 467.000 schrumpfen und die Zahl der Älteren von 447.000 auf 478.000 steigen. Das ergab eine Studie des Versicherers Allianz anhand von Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat.
"Die Vermutung, dass durch diese demografische Entwicklung die Arbeitslosigkeit verschwindet, ist irreführend", stellt der IHS-Arbeitsmarktexperte Ulrich Schuh im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" klar. "Arbeitsplätze sind das Resultat des Investitionsvolumens von Unternehmen."
Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Firmen weniger in Arbeitsplätze investieren, sobald weniger Arbeitskräfte auf dem Markt vorhanden seien.
Schleichweg in die Rente
Die demografische Entwicklung stellt den Jobmarkt laut Experten vor große Herausforderungen: Für Unternehmen wird es schwieriger werden, ausreichend qualifiziertes Personal anzuwerben. Das staatliche Pensionssystem gerät unter Druck, hohe Sozialausgaben belasten das Bruttoinlandsprodukt und den Wohlstand im Land.
Ein großes Stück der Nachwuchslücke könnte laut Allianz-Volkswirten geschlossen werden, wenn mehr ältere Menschen arbeiten würden. "Dem stehen jedoch in Österreich großzügige Pensionsregelungen als Hürde im Weg", betont Schuh. Die geburtenstarken Jahrgänge, die sogenannten Babyboomer, verabschieden sich bereits jetzt immer früher in den Ruhestand: Sind im EU-Durchschnitt noch rund ein Drittel aller Personen im Alter zwischen 60 und 64 Jahren erwerbstätig, ist das in Österreich nur etwa jeder fünfte - damit liegt Österreich im EU-Vergleich auf Platz 18.
Das durchschnittliche Pensionsalter beträgt derzeit 59 Jahre bei Männern und 58 Jahre bei Frauen. In Zeiten, in denen die Lebenserwartung zunimmt, sei eine Erwerbstätigkeit bis zum Alter von 65 zumutbar, betont Schuh.
Technologie-Wandel
Ein Umdenken in der Gesellschaft und in den Unternehmen könne es erst geben, wenn die Politik Signale setzt. Statt ständig Schleusen zu öffnen, um ältere Mitarbeiter aus dem Arbeitsmarkt zu drängen, müssten Schleichwege in die Frühpension eliminiert werden. Den größten Reformbedarf sieht Schuh bei der Hacklerregelung, der Korridorpension und der Invaliditätspension.
Dass restriktivere Pensionsregeln den Anteil der älteren Erwerbslosen erhöhen, ist laut Experten das geringere Übel. Die notwendigen Instrumente der Arbeitsmarktpolitik seien bereits vorhanden - von der Förderung der Ausbildung bis hin zur Unterstützung bei der Arbeitsaufnahme.
Was bisher vor allem dem Nachwuchs vorbehalten war, geht in Zukunft auf die älteren Mitarbeiter über: Sie werden es sein, die die technologischen Schübe in der Arbeitswelt mittragen. Firmen werden verstärkt in die Weiterbildung ihrer Fähigkeiten investieren müssen.