Firmen wie Lego und Procter & Gamble nutzen externe Ideen. | Motivation für Nutzer: Spaß und finanzielle Belohnung. | Wien. Die US-Luftfahrtbehörde Nasa sucht in einer Internet-Ideenbörse ein System, um Handtücher und Kleidung im Weltraum zu reinigen. Und wer eine Methode weiß, um den Fettgehalt von gebratenen Snacks zu reduzieren, dem winken 20.000 Dollar. Unternehmen und Organisationen stellen ihre Probleme auf Open-Innovation-Plattformen und nutzen so das externe Wissen von freiwilligen Tüftlern im Internet.
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Experten gehen davon aus, dass sich das Marketing künftig noch stärker dieser Strategie des Crowdsourcings bedienen wird: Wissen und Arbeitskraft der Masse (Crowd) werden verstärkt angezapft.
Der Pionier unter den Ideenplattformen, InnoCentive, wurde 2001 als Tochter des US-Pharmakonzerns Eli Lilly gegründet und zählt aktuell 220.000 registrierte Problemlöser aus mehr als 200 Ländern. "Auch aus Madagaskar kamen schon Vorschläge" sagt InnoCentive-Europachef Georg Debus.
Rund drei von vier Mitglieder haben einen Hochschulabschluss, die meisten sind Experten auf einem bestimmten Fachgebiet. "Wir suchen jedoch nicht vorwiegend nach Profis, sondern nach Querdenkern", erklärt Debus. Denn es reicht oft nicht, Experten aus dem eigenen Fachgebiet zu fragen - häufig lösen Fachleute aus anderen Branchen Probleme, an denen lange erfolglos getüftelt wurde.
Etwa jede zweite veröffentlichte Aufgabe wird von den Mitgliedern gelöst, bei besonders gut gestellten und präzisen Fragen liege die Erfolgsquote höher.
Die Hauptmotivation für die externen Daniel Düsentriebe ist laut einer Umfrage des Unternehmens der Reiz, eine schwierige Aufgabe zu lösen und zu zeigen, was man kann. Das finanzielle Zuckerl komme erst "weit hinten" - auch wenn auf den besten Problemlöser teilweise 50.000 Dollar warten.
"Für die Unternehmen liegt der Vorteil darin, ihr Risiko zu minimieren - Budget und Zeitrahmen werden vorher klar abgesteckt", sagt Debus. Firmen zahlen eine fixe Summe.
Haben Unternehmen nicht Angst, dass sie auf Ideenbörsen zu viel von sich preisgeben? "Firmen haben durchaus Bedenken, dass die Konkurrenz Ideen der eigenen Challenges aufgreift", berichtet Debus. Deswegen sichern sie sich mit Vertragsklauseln ab.
Keine Flops produzieren
Eine ähnliche Strategie verfolgt das österreichische Unternehmen Solvster, das Konsumenten gleich Produkte entwickeln lässt. "Produktentwicklungen kosten bis zu 15 Prozent des Jahresumsatzes und verschlingen sehr viel Zeit", erklärt Solvster-Gründer Dietmar Eglhofer. Von den Produktinnovationen seien in der Regel rund 80 Prozent Flops - entweder entsprechen sie nicht den Kundenbedürfnissen oder die Konkurrenz war schneller am Markt. Der Kunde entscheide über den Erfolg eines Produkts - ihn bereits in den Entwicklungsprozess einzubinden, sei eine logische Konsequenz.
Seit Jahresbeginn ist die Plattform auf Englisch online, seit Juli gibt es sie auch auf Deutsch. Im Moment läuft auf der Webseite ein Projekt, in dem eine Smartphone-Applikation für Städtereisen entwickelt werden. Bis Jahresende sollen fünf bis zehn Projekte abgewickelt worden sein.
Der Entwicklungsprozess auf Solvster besteht aus drei Phasen ("Quests" - englisch für Suche). Im "Trend Quest" stehen Trends zur Diskussion, Produktideen können Nutzer im "Idea Quest" einstellen. Zwischen 60 und 150 Ideen kommen jeweils zusammen, die besten fünf Ideen werden im "Shop Quest" getestet. Hier werden die Nutzer gefragt, welches Produkt sie zu welchem Preis kaufen würden.
Solvster verfügt laut eigenen Angaben über 7000 Mitglieder in mehr als 100 Ländern. Wieso lassen sich Laien von Firmen für die Arbeit einspannen? "Solange es Spaß macht, man fair behandelt wird und es eine Belohnung gibt, machen die User mit", sagt Eglhofer. Für eine Produktidee bekommt der User zwischen 100 und 500 Euro. Dafür verpflichtet sich der Entwickler, das Vorkaufsrecht für die Lizenz dem Unternehmen zu geben.
Auch der dänische Spielzeughersteller Lego lässt seine Kunden mitentwickeln - etwa bei der Produktserie Mindstorms, mit dem Roboter zusammengebaut, programmiert und personalisiert werden können. Im dazugehörigen Internetforum können Spielzeugfans ihre Ideen teilen, Wettbewerbe ausrufen oder Hilfe beim Programmieren von anderen Nutzern bekommen. Dafür wurden sie bei der Entwicklung der nächsten Produktgeneration eingebunden. Derzeit sind Nutzer aufgerufen, ihr eigenes Roboter-Haustier zu entwerfen.
625.000 Dollar Belohnung
Der Konsumgüterhersteller Procter & Gamble hat sogar eine eigene Abteilung geschaffen, die das externe Innovationspotenzial heben sollen. Mehr als 50 Prozent der Produkte werden laut Unternehmensangaben mit Ideen von außen entwickelt, die Innovationsgeschwindigkeit wurde erhöht.
Dass sich freiwillige Arbeit auch finanziell lohnen kann, zeigt der Dorito-"Crash the Super Bowl"-Wettbewerb, bei dem die Tortillachips-Marke Kunden aufruft, Werbespots für das Footballevent zu produzieren. Der Gewinner des Vorjahres nahm 625.000 Dollar mit nach Hause.