Hohe Dunkelziffer bei Spionage. | Firmeninterna werden oft beim Small Talk ausgeplaudert. | Wien. Geheime Firmeninformationen, die plötzlich in der Öffentlichkeit auftauchen, Wanzen und Abhöranlagen in den Büros und ein mysteriöser Einbruch - was wie aus einem James-Bond-Film klingt, ist einem österreichischen Pharmaunternehmen passiert. "Wir wollten es anfangs nicht wahrhaben, dass wir ausspioniert werden", ist der Firmenchef entsetzt. Der Maulwurf war in diesem Fall ein Geschäftsführer, der von einem anderen Unternehmen als Agent eingesetzt wurde.
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Die meisten Fälle von Industriespionage gelangen nicht an die Öffentlichkeit. Daher gibt es auch keine Zahlen, wie oft in Österreich Wirtschaftsspione am Werk sind. Schätzungen gehen davon aus, dass hierzulande durch das Ausspähen von firmeninternen Informationen ein jährlicher Schaden von rund 1,5 Milliarden Euro entsteht. "Es gibt mehr Fälle, als man denkt", sagt Benjamin Weißmann vom Wirtschaftsprüfer Ernst & Young. "Als Spione arbeiten vor allem ehemalige Geheimdienstmitarbeiter und Militärs, die detaillierte Infos über das Unternehmen sowie seine Technologie und Produkte beschaffen", so Weißmann. Die Auftraggeber kämen nicht nur aus China und Russland, sondern auch aus Österreich.
Bewerber eingeschleust
Gefahr für die Firmen lauert auch dort, wo sie es nicht erwarten - wenn Spione von anderen Unternehmen in den eigenen Betrieb eingeschleust werden. "Manche Firmen entsenden Kandidaten zu Bewerbungsgesprächen von Mitbewerbern", berichtet Gerhard Donner, Leiter der Abteilung Wirtschaftskriminalität bei Ernst & Young. Denn in der Endphase des Bewerbungsverfahrens werden schon einmal aktuelle Projekte besprochen, um den Bewerber auf seinen Job vorzubereiten - ein gefundenes Fressen für das Konkurrenzunternehmen. Und auch die Putzfrau, die Dokumente aus dem Müll fischt und diese an ihren Auftraggeber weitergibt, sei nicht nur ein Mythos, sagt Weißmann. Daher rät der Experte, Papiermüll geschreddert zu entsorgen.
Auch bei Werksführungen sollten Firmen vorsichtig sein: "Bei einer Touristenführung in einem österreichischen Betrieb waren zwei chinesische Spione dabei. Diese sollten die neuesten Technologien auskundschaften, damit ihr Auftraggeber sie günstig abkupfern kann", sagt Weißmann. Eine beliebte Zielscheibe der Spione sind Mitarbeiter: "Erpressbar sind vor allem labile Mitarbeiter, die ein Laster wie Alkoholkrankheit haben", sagt Donner.
Daten verschlüsseln
Doch statt Bestechung reicht manchmal auch ein Anruf, bei dem sich der Anrufer unter einem Vorwand nach Firmeninterna erkundigt. "Manche Mitarbeiter geben dann sensible Informationen heraus", so Donner. Auch im Small Talk mit Kollegen plaudern Beschäftigte oft unabsichtlich heikle Details aus. Beschaffen sich Firmen Informationen über öffentlich zugängliche Quellen wie bei Führungen oder über die Teilnahme an Forschungsprojekten, machen sie sich nicht strafbar.
Anders sieht die Sache allerdings aus, wenn Wanzen oder Abhöranlagen installiert oder Daten von Computern geklaut werden. "Firmen sollten ihre Daten unbedingt verschlüsseln", sagt Weißmann. Dann sei der Schaden geringer, wenn Handys oder Notebooks gestohlen werden oder Mitarbeiter einen USB-Stick verlieren. Vor Internetverbindungen über W-Lan oder kabellosen Tastaturen warnt Weißmann: "Mit ein bisschen technischer Ausstattung kann jeder Tastendruck aufgezeichnet werden."
Viele Firmen schützen sich erst gegen Spionage, wenn sie bereits Opfer geworden sind. Besser sei es, schon vorab einen Notfallplan in petto zu haben.