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First Lady will vom Weißen Haus ins Capitol

Von Gabriele Chwallek

Politik

Washington · Experten haben es längst ausgerechnet. Wenn alles nach Hillary Clintons Plänen verläuft, dann wäre sie Anfang Jänner 2001 für etwa 14 Tage First Lady und Senatorin zugleich · | eine Doppelfunktion, die es noch nie in der Geschichte der USA gegeben hat.


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Seit die 51jährige am Dienstag die Gründung eines Vorbereitungskomitees für den Wahlkampf bekanntgegeben hat, ist es praktisch offiziell. Hillary, seit der Lewinsky-Affäre bei den Amerikanern so

populär wie nie zuvor, zieht es vom Weißen Haus ins Capitol.

Den US-Bürgern steht damit ein heißes Kopf-an-Kopf Rennen ins Haus, das mit seiner Hochspannung sogar den Zweikampf ums Weiße Haus in den Schatten stellen könnte. Denn wenn sich die First Lady

bewirbt, dann ist ihr voraussichtlicher Gegenkandidat der populäre New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani, ein liberaler Republikaner.

Beide gelten als temperamentvoll, kämpferisch, spitzzüngig und charismatisch · Wesenszüge, die man den voraussichtlichen Hauptmatadoren im Präsidentschaftswahlkampf, Al Gore und George Bush, nicht

gerade nachsagt.

Vor allem Al Gore könnte unter den Ambitionen der First Lady leiden, weil sie mit ihrem Wahlkampf von seinem eigenen abzulenken droht. Angefangen hat ihre Kampagne zur Eroberung des frei werdenden

Sitzes des demokratischen Senators Daniel Patrick Moynihan schon vor Monaten. 15 Tage hat sie seit Jahresanfang zu politischen Zwecken im Staat New York verbracht, nur drei davon in der offiziellen

Funktion der First Lady.

Das brachte bereits Wasser auf die Mühlen ihrer Gegner. Da Hillary auch bei ihren Vorwahlkampf-Einsätzen mit einer Luftwaffenmaschine reist und vom Secret Service beschützt wird, wirft man ihr

Mißbrauch von Steuergeldern vor, auch wenn sie Teile der Flugkosten zurückerstattet hat.

Experten rechnen damit, daß Widersacher im Wahlkampf auch die Rolle Hillarys in der Whitewater-Affäre um dubiose Grundstücksgeschäfte in Arkansas auftischen werden. Hillary Clintons größer Nachteil

liegt nach übereinstimmender Ansicht aber darin, daß sie niemals in New York gewohnt, gearbeitet oder dort auch nur viel Zeit verbracht hat.

Sie könnte daher als "politischer Absahner" eingestuft werden, der über Prominenz, aber nur geringe Kenntnisse über die Bedürfnisse der Bürger im Staat verfügt.

Bei den sorgfältig geplanten Auftritten in diesem Jahr schlug ihr in New York freilich nur Begeisterung entgegen: "Run, Hillary, run" hieß es immer wieder in Sprechchören und auf Transparenten.

Sara Ehrman, eine langjährige Freundin der First Lady, sagt voraus, daß ihr im Wahlkampf die New Yorker erst recht in Scharen folgen werden. "Sie wird eine energische, unermüdliche und brilliante

Wahlkämpferin sein, wartet mal ab", so Ehrman in der "Washington Post".

Erfahrungen auf diesem Gebiet hat Hillary Clinton tatsächlich in Hülle und Fülle gesammelt. Schon 1972 half sie Wähler für den damaligen Präsidentschaftsbewerber George McGovern zu mobilisieren.

Danach bewährte sie sich als Wahlkämpferin für ihren Mann · sei es im Rennen um einen Kongreßsitz, das Amt des Gouverneurs von Arkansas oder schließlich um den Einzug ins Weiße Haus. Bei den

Kongreßwahlen 1998 sprang sie für ihren vom Lewinsky-Skandal schwer angeschlagenen Gatten ein und wurde zur Wahlkämpferin Nummer eins.

Jetzt muß sie für sich selbst eintreten. Dabei, so sagen ihre engsten Freunde, wird sie sich keine Blößen geben. Sie werde büffeln und büffeln: "Sie wird alles lernen, was es über New York zu lernen

gibt. Sie wird die Milchbetriebe in Watertown kennen und wissen, daß der beste Mais in Suffolk County wächst."