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Fisch produziert Flüchtlinge

Von Konstanze Walther

Wirtschaft

Europas Schiffe als autarke Fabriken - Wertschöpfung wird nicht aufgesplittet. | Asiatische Staaten genießen besseres Ansehen. | Wien. "Ich weiß nicht, wie ich meine Kinder noch ernähren soll." Ameth Wade ist Sprecher und Generalsekretär der Organisation der Berufsfischer von Joal, einem Küstendorf in Senegal. Er kommt aus einer Familie von Fischern und will eigentlich sein Dorf nicht verlassen. Doch dank eines Fischereiabkommen zwischen Senegal und der EU kommt Wade täglich mit einer geringeren Fangmenge nach Hause. "Zwei meiner Brüder sind schon nach Spanien geflüchtet", erzählt Wade im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".


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Sie gehören damit zu einer großen illegalen Migrationsbewegung aus Westafrika. Die Menschen ziehen weg, weil ihre Ernährungssicherheit schwindet. Die EU qualifiziert diese Migranten als Wirtschaftsflüchtlinge - ein positiver Asylbescheid ist damit unwahrscheinlich.

Die europäischen Gewässer sind zu 88 Prozent überfischt. Deswegen weicht man in die Gewässer vor Westafrika aus. Derzeit gibt es sieben Abkommen mit westafrikanischen Staaten. Senegal wurde schon 2006 offiziell der Rücken zugekehrt, da die Gewässer sich nicht im großen Stil für die 100 Meter langen EU-Trawler rentierten. Doch einige der EU-Staaten wurden erfinderisch, was die Reste angeht - und schlossen Joint-Ventures vor Ort.

Solche Unternehmungen heißen dann beispielsweise "Senegalogrec" - ein griechisches Schiff fischt unter senegalesischer Flagge und exportiert den Fisch nach Europa. Auch diese Schiffe verunmöglichen mit ihrer Technik die lokale Küstenfischerei. Und deren Fänge und Exporte werden nicht einmal in die Quote der EU hineingerechnet. Dabei sind die EU-Quoten laut Wissenschaftern sowieso zu hoch angelegt. Die Folge: Der Fischbestand in den Gewässern dünnt sich irreparabel aus. Doch in Joal gibt es keine andere Wirtschaft als den Fischfang.

In Mauretanien wird die nördlichste Hafenstadt, Nouadhibou, inzwischen nur noch "Tür zu Europa" genannt (siehe Grafik). Denn von dort sind es nur knapp 500 Kilometer zu den Kanarischen Inseln. Auf dieser Distanz gibt es somit eine Chance, mit selbstgebastelten Booten lebend bis ans Ufer der EU zu kommen.

"Aus ganz Westafrika kommen die Menschen nach Nouadhibou", bestätigt Harouna Lebaye, Leiter eines Fischerverbandes im Norden von Mauretanien. Er hat schon viele in See stechen gesehen, auch wenn er persönlich niemanden kannte. Denn die Situation seiner eigenen Landsleute hat sich noch nicht so drastisch verschlechtert. Aber Lebaye kennt die Berichte der Nachbarländer: Früher oder später wird sich der Fischbestand nicht mehr erholen. Deswegen versucht Lebaye gemeinsam mit Wade auf die Situation der Fischer aufmerksam zu machen - im Rahmen einer von Greenpeace finanzierten Europareise. Das EU-Abkommen mit Mauretanien läuft 2012 aus, zeitgleich mit den derzeitigen Fischereigesetzen der Europäischen Union. Im Juni will die EU-Kommission ihren konkreten Reformvorschlag bringen.

Wade und Lebaye hoffen auch, dass besonders effiziente Fangmethoden Europas verboten werden. "Auf der Jagd nach Shrimps und Seezungen wird mit den Grundschleppnetzen der Meeresboden umgepflügt und temporär zerstört. Dabei gehen gleichzeitig noch alle Schwarmfische in der Nähe, wie etwa Heringe oder Makrelen, mit ins Netz", erzählt Antje Helms, Meeresbiologin von Greenpeace. Dieser "unerwünschte" Fisch wird entweder tot über Bord geworfen oder gleich auf den EU-Dampfern zu Fischmüll verarbeitet, der an europäische Schweine verfüttert wird. So wie inzwischen alles auf den riesigen Schiffen selbst verarbeitet wird.

Asiens Engagementgenießt Ansehen

Hilfe kommt in Westafrika von ganz anderer Seite. "Asien macht es deutlich besser als Europa", meint Wade. Während die EU den Fisch gleich selbst verarbeitet, errichtete etwa Südkorea vor zehn Jahren die Fabrik "Elimpêche" in Joal. Dort wird der Fisch vor dem Export weiterverarbeitet, die Bevölkerung profitiert gleich in zweifachem Maß: Einerseits werden Arbeitsplätze in der Fabrik geschaffen, andererseits werden "Fisch und Schalentiere ausschließlich den lokalen Fischern abgekauft", unterstreicht Wade.

Auf der 720 Kilometer langen mauretanischen Küste existiert nur ein Hafen für traditionelle Fischerei, und der wurde von Japanern errichtet. Genauso wie künstliche Korallenriffe vor Senegal, damit sich der Fischbestand dort wieder erholen kann. Nicht ganz uneigennützig: Durch die gezielte Einsetzung der Entwicklungshilfe kauft sich Japan Stimmen in eigener Sache für Abstimmungen in der internationalen Walfangkommission. Doch Ameth Wade sieht das pragmatisch: "Politik spielt doch immer mit hinein. Aber ich bin ein einfacher Fischer und ich stelle fest, dass ich vom Engagement der Asiaten profitiere."