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Bundespräsident Heinz Fischer hat sich angesichts der Terroranschläge in London gegen die Einschränkung von Bürgerrechten durch Eingriffe in die Privatsphäre ausgesprochen. Angesprochen auf den Vorschlag des britischen Innenministers, Telephonate und Mails künftig aufzeichnen zu lassen, sagte Fischer am Sonntag in der Fernsehpressestunde des ORF, man "darf auf Terrorismus nicht mit blindem Hass und überschießenden Reaktionen antworten, die womöglich zu einem Konflikt der Zivilisationen führen kann".
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Es gehe vielmehr darum, "unsere Lebensform zu schützen" und zu überlegen, "wie man den abstrusen Vorstellungen, die hinter dem Terrorismus stehen", begegnen könne. Er habe mit Justizministerin Karin Miklautsch (BZÖ) darüber gesprochen, ob die Rechtslage in Österreich ausreichend sei "und sie hat die Frage bejaht". Außerdem, so Fischer, sei Österreich "kein primäres Terrorziel". Der Bundespräsident: "Irgendwelche dramatischen Veränderungen unserer gesellschaftlichen Strukturen sind nicht notwendig". Man müsse sich aber mit europäischen Vorschlägen zur Verbesserung der Sicherheit auseinander setzen.
Die Zusammenarbeit von Ordnungskräften und Muslimen in Österreich bewertet Fischer als "vernünftig". Auch mit der islamischen Religionsgemeinschaft sehe er keine Probleme. Und es habe ferner die Neutralität Österreichs dazu geführt, dass man sich beispielsweise nicht am Irak-Krieg beteiligt habe: "Das hat auch einen gewissen Stellenwert". Man sollte nicht an einer Eskalationsschraube von Hass und Gewalt drehen, sondern weiterhin Vernunft walten lassen. "Nicht der Islam insgesamt ist ein Feind, sondern verhetzte Fanatiker, die man ernst nehmen muss und die langfristig möglichst ausgetrocknet und isoliert werden sollen". Dies müsse in erster Linie mit politischen Mitteln geschehen. "Grundsätzlich darf uns der Terrorismus vom europäischen Modell und von der demokratischen Gesellschaft nicht wegbomben können", so Fischer.
EU: Fischer sieht keine Neupositionierung bei SPÖ
Bei der SPÖ wollte der Bundespräsident keine Neupositionierung in der EU-Frage sehen. Die SPÖ stehe nach wie vor positiv zum Projekt EU. Allerdings könne man nach dem negativen Verfassungsreferendum in Frankreich und Holland nicht zur Tagesordnung übergehen. Was einen Türkei-Beitritt betrifft, sei er zwar für Verhandlungen, "aber das heißt nicht, dass das schon a g´mahte Wies´n ist". Es gebe jedenfalls keine übergeordneten strategischen Überlegungen, dass die ´Türkei auch dann beitreten können soll, wenn sie die Kriterien nicht erfülle.
Fischer plädierte eindeutig für einen EU-Beitritt Kroatiens. Dieses Land habe einen tollen Aufholprozess gemacht. Zum Thema EU-Außenpolitik zeigte sich Fischer erfreut über die Bestellung von Hans Winkler als Staatssekretär im Außenministerium. Dass damit die Regierung zu groß sei, sei "für mich keine zentrale Frage". Es habe schon größere und kleinere Regierungen gegeben. "Ein Europastaatssekretär als solcher hat schon seinen Sinn".
Auf das Verhältnis mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) angesprochen, sagte Fischer, er habe schon vor seiner Wahl gesagt, dass er das Amt des Bundespräsidenten nicht als Gegenposition zum Kanzler auffasse. "Ich habe nicht den Ehrgeiz, dem Amt des Bundespräsidenten eine andere oder zusätzliche Dimension zu geben".
Er wünsche sich auch kein Rederecht im Parlament. Auch wollte er nicht, wie das die Staatspräsidenten in Tschechien und der Slowakei haben, die Möglichkeit eingeräumt erhalten, Gesetze einfach an die gesetzgebende Körperschaft zurückzuschicken. "Das wäre nicht gut. Weil der Bundespräsident im Gegensatz zum Nationalrat kommen könnte." Er sei sehr zufrieden mit der jetzigen Verfassungslage, "die wende ich an. Auf diesem Boden fühle ich mich sicher. Und ich habe keinen ungestillten Ehrgeiz, darüber hinaus zu gehen". (
Enttäuschung in Ortstafelfrage
Fischer zeigte sich enttäuscht, dass der Konflikt um die Orstafeln immer noch nicht gelöst ist: "50 Jahre nach Abschluss des Staatsvertrags ist die Zeit einfach reif für Lösungen." Angesichts der europäischen Konstellation, wonach man sich weder von Slowenien bedroht fühlen könne, noch territoriale Ansprüche durch Ortstafeln entstehen, "kann ich wirklich nur die betroffenen Bürgermeister oder die betroffenen Besorgten in Kärnten bitten, sich einen Ruck zu geben".
Das Zusammenleben zwischen den Volksgruppen in Kärnten funktioniere im Prinzip gut. Auch die Beziehungen zwischen Slowenien und Österreich seien gut. "Es wäre wirklich eine schöne, richtige und Freude auslösende Entscheidung, wenn wir endlich die Verpflichtung des Staatsvertrags und gleichzeitig die Judikatur des Verfassungsgerichtshofs berücksichtigen könnten." Der Bundespräsident verwies darauf, dass "Leopold Figl alle Artikel des Staatsvertrags unterschrieben hat, auch den Artikel 7 mit den Rechten der slowenischen Minderheit einschließlich der Frage der Ortstafeln".
Angesprochen auf die ablehnende Haltung nicht nur der Freiheitlichen in Kärnten, sondern auch der dortigen SPÖ, sagte Fischer, er habe den Eindruck, dass die Politiker im südlichsten Bundesland die große Sorge haben, über den Kopf von Gemeindebürgern in den betroffenen Gemeinden eine Entscheidung zu treffen, wenn sie sich zur Vollziehung des Staatsvertrags bekennen: "Ich glaube, wir sollten gar nicht die Parteien als solche primär ansprechen, sondern wirklich in den Regionen die Bürgermeister und Gastwirte. Denn dann glaube ich, wenn das Verständnis wächst und die Angst abnimmt, würden wahrscheinlich auch die Abgeordneten im Kärntner Landtag und die politischen Parteien die Dinge neu bewerten können."
Zur FPÖ-Spaltung mit der Entstehung des BZÖ merkte Fischer an, aus verfassungsrechtlicher Sicht habe es keine Krise gegeben, eher aus politischer Sicht. Der EU-Präsidentschaft sehe er jedenfalls "mit einer gewissen Zuversicht" entgegen. "Ich rechne damit, dass vieles dafür spricht, dass die sechs Monate österreichischen EU-Vorsitzes nicht durch Neuwahlen unterbrochen werden".
Generell auf die Situation nach der FPÖ-Spaltung angesprochen, meinte Fischer, die Wahrscheinlichkeit, dass es nach den nächsten Nationalratswahlen ein Vierparteien-Parlament gebe, sei höher als ein Fünfparteien-Parlament.