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Interview mit dem Verfassungsexperten Manfried Welan. | Welan: "Es wird weitergehen wie bisher." | Wien. Eisernes Schweigen war vereinbart - und tatsächlich: Für einmal hielten sich alle Beteiligten daran. Über das, was Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer mit Bundespräsident Heinz Fischer gut zweieinhalb Stunden am Montagabend in der Hofburg besprachen, drang - zumindest bis Dienstag - kein Sterbenswörtchen an die Öffentlichkeit. Lediglich, dass es ein "gutes und wichtiges Gespräch" gewesen sei, wurde verlautbart.
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Manch aufgeregter Kommentator der koalitionären Kalamitäten setzt seine Hoffnungen in die Person des Bundespräsidenten und die Kraft dessen Amtes. Angesichts der realen Machtverhältnisse verwundert diese Erwartungshaltung allerdings. "Tatsächlich kann Heinz Fischer, außer ermutigen, gut zureden und Anregungen geben, de facto nicht viel machen", ist der Wiener Verfassungsrechtler Manfried Welan überzeugt.
Theoretisch läge die Sache zwar anders, erläutert Welan gegenüber der "Wiener Zeitung", da könnte Fischer etwa den Kanzler entlassen. Nur wäre das ein Bruch mit der Konvention, weshalb auch noch kein Präsident dieses Mittel eingesetzt hat. Und dass ausgerechnet der ausgewiesene Verfassungsexperte Fischer als erster zu diesem Mittel greift, hält Welan für so gut wie ausgeschlossen.
Bliebe also die Möglichkeit, durch öffentliche Wortmeldungen den Druck auf SPÖ und ÖVP zur Zusammenarbeit zu erhöhen. Was aber, fragt Welan, sollten sich die Parteien nicht an die Wünsche des Präsidenten halten? Dann hätte der Präsident vor aller Augen seine Machtlosigkeit demonstriert. Kein erstrebenswertes Szenario.
Wie geht es also weiter? Welan: "So wie bisher." Fischer werde auf den Faktor Zeit setzen und abwarten, bis sich die Erkenntnis bei SPÖ und ÖVP durchgesetzt hat, dass keine der beiden derzeit bei Neuwahlen etwas gewinnen könne. "Fischer hat die Nerven und die Ruhe abzuwarten - überhaupt glaube ich, dass die Älteren diese Situation leichter ertragen als die Jüngeren", so Welan (71).
Am Dienstag beteuerte die ÖVP übrigens noch einmal, Neuwahlen definitiv nicht anzustreben.