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Fischer: Wir wollen mit der ÖVP nicht "Poker" spielen

Von Alexandra Grass und Brigitte Pechar

Politik

Nationalratspräsident und SPÖ-Vorsitzender-Stellvertreter Heinz Fischer wird ab Freitag nur noch die zweithöchste Funktion im Parlament inne haben. Die "Wiener Zeitung" fragte ihn über die Höhen und Tiefen der vergangenen zwölf Jahre als Präsident. Der Rolle als Zweiter Präsident kann Fischer durchaus etwas abgewinnen. Immerhin ist es die höchste Funktion, die die SPÖ derzeit zu vergeben hat.


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Wiener Zeitung: Herr Präsident, seit Jahrzehnten stehen Sie im Zentrum der Macht - keine Entscheidung in der SPÖ ist seit den 70er Jahren ohne Sie getroffen worden, Sie waren auch im Gespräch als Nachfolger Viktor Klimas für den Vorsitz. Was empfehlen Sie Ihrer Partei bei den bevorstehenden Sondierungsgesprächen mit der ÖVP?

Fischer: Hier muss ich zwei Präzisierungen vornehmen. Ich glaube, ich bin immer im Zentrum der Willensbildung in der SPÖ gestanden, aber nicht im Zentrum der Macht. Im Jahr 2000 habe ich gesagt, dass ich für die Funktion des Vorsitzenden nicht zur Verfügung stünde, da dies mit meinem Amt als Nationalratspräsident nicht vereinbar gewesen wäre. Mein Rat an die SPÖ: Wir müssen klar machen, dass im Lichte der Wählerentscheidung die Verantwortung für die Bildung einer Regierung bei ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel liegt. Der ÖVP-Obmann muss also an die SPÖ herantreten und klare Vorstellungen äußern. Je nachdem wie ernst das gemeint ist, wird die SPÖ ihre Entscheidung treffen.

Nun müssen wir mit Ruhe, Festigkeit und Entschlossenheit abwarten, bis sich der Bundeskanzler von der Rolle einer Sphinx am Ballhausplatz verabschiedet. Wir werden, gleichgültig ob in der Regierung oder Opposition, ein Anwalt der sozialen Symmetrie, der gesellschaftlichen Verantwortung und ein Motor von durchdachten und sinnvollen Reformen sein.

WZ: Die SPÖ hat von der ÖVP einen Kassasturz verlangt. Nun hat Finanzminister Karl-Heinz Grasser diesen in einer Pressekonferenz präsentiert. Stärkt das die von Ihnen eingeforderte Vertrauensbildung?

Fischer: Man kann politische Gespräche auch so führen, dass man eine Pressekonferenz organisiert und sagt "kauft´s euch die Zeitung". Bundeskanzler Schüssel wird Gründe haben, warum er diesen Stil wählt, nämlich dass die Gespräche mit der FPÖ sehr weit fortgeschritten sind.

WZ: Wie schätzen Sie Bundeskanzler Wolfgang Schüssel als Person ein?

Fischer: Ich habe gegen ihn als Person nichts einzuwenden. Womit ich mich kritisch auseinandersetze, ist die Vorgangsweise bei den Verhandlungen zur Bildung einer Bundesregierung. Diese sind sehr von taktischen Überlegungen geprägt.

WZ: Schüssel ist bekannt als hervorragender Taktiker.

Fischer: Darauf muss man sich einstellen. Man muss wissen, welches Spiel gespielt wird.

WZ: Und wissen Sie welches Spiel das ist?

Fischer: Es besteht aus fünf Buchstaben und die lauten

P O K E R.

WZ: Und will die SPÖ dabei mitspielen?

Fischer: Nein - wir wollen, dass dieses Land eine gute Regierung bekommt.

WZ: Was spricht für die Opposition, was für die Regierung?

Fischer: Es ist ganz eindeutig, dass die ÖVP eine Regierung mit dem bequemeren Partner names FPÖ will, das sollte sie aber auch offen sagen. Für die Regierungsbeteiligung der SPÖ wird erst etwas sprechen, wenn wichtige Anliegen der SPÖ ernsthaft berücksichtigt werden.

WZ: Warum haben Sie sich dazu entschlossen, doch als Zweiter Nationalratspräsident zu kandidieren? Hat es Druck seitens der Parteispitze gegeben?

Fischer: Druck kann man nicht sagen. Es hat persönliche und öffentliche Ersuchen gegeben. Es ist nun einmal die höchste Funktion, die die SPÖ derzeit im Parlament zu vergeben hat. Wir sind auch in einer politisch heiklen Phase und da galt es, sorgfältig zu überlegen, ob man sich zurückzieht.

WZ: Wie weit sollte eine Bundesstaatsreform gehen?

Fischer: Die Bundesstaatsreform der vergangenen Jahre war immer eine Totgeburt. Sie zielte vorwiegend auf Kompetenzverschiebungen ab. Es sind insgesamt 177 Kompetenztatbestände in der Verfassung enthalten, Dann passiert es - wie etwa beim Semmeringtunnel -, dass die Regierung ja sagt und ein Bundesland nein. Wenn wir jetzt von Staatsreform sprechen, dann meinen wir ganz andere Dinge. Auch die bisherige Form des Legalitätsprinzips (Art. 18) muss überdacht werden. Kompetenzen müssen neu geordnet und definiert werden.

WZ: Was waren die Highlights in Ihrer Zeit des Parlamentarismus? Was bedauern Sie?

Fischer: Worauf ich stolz bin, ist, dass mir von allen Seiten bestätigt wird, ein sachkundiger, objektiver und unparteiischer Präsident gewesen zu sein. Es gibt keine einzige wichtige Entscheidung, die im Rückblick zu bedauern ist. Stolz und froh bin ich zum Beispiel auch über die Arbeit an der Spitze des Österreichischen Nationalfonds.

WZ: Das Nationalratswahlergebnis bringt es mit sich, dass die SPÖ ihren Anspruch auf den Ersten Präsidenten des Nationalrates verliert. Blicken Sie mit Wehmut zurück auf Ihre Tätigkeit seit 1990?

Fischer: Eigentlich blicke ich mit Stolz und Freude auf zwölf Jahre als Nationalratspräsident, zwölf Jahre als Klubobmann, vier Jahre als Wissenschaftsminister und viele Jahre als Klubsekretär zurück. Und ich möchte diese zwölf Jahre als Nationalratspräsident nicht missen.

Das Gespräch führten Alexandra Grass und Brigitte Pechar