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Die These von Joschka Fischer klingt logisch, aber auch beunruhigend: Die Welt kann sieben Milliarden Menschen ernähren und sogar für einen neu definierten Wohlstand sorgen, wenn die vorhandenen Ressourcen effizient eingesetzt werden. Derzeit verbrauchen wir 1,5 Erden - die Menschheit muss also die Verschwendung um 50 Prozent reduzieren. Da sich diese Verschwendung auf die USA, Europa und einige Megastädte verteilt, müsste es dort dementsprechend mehr sein.
Als Hebel will Fischer die multinationalen Konzerne nutzen, die nicht nur hunderttausende Mitarbeiter über den Globus verteilt haben, sondern auch Millionen Konsumenten erreichen. Die haben kein Interesse daran, dass ihnen ganze Länder wegbrechen, sie wollen ja Geschäft machen.
Nun sind Nachhaltigkeitskonzepte wie jenes von Rewe, einer der größten Einkaufsorganisationen Europas, ohne jeden Abstrich als gut und positiv zu bewerten. Wiederverwertbare Verpackungen, regionale Produkte, Energiesparen in tausenden Filialen und Büros. Das ist beispielhaft.
Bestürzend ist an dieser These eher das Fehlen der politischen Gestaltungskraft. Denn es würde - auf die westliche Welt gemünzt - bedeuten, dass die demokratisch gewählten Institutionen wenig zusammenbringen. Die Wirtschaft soll die Welt retten.
Nun stimmt eines ganz sicher: Die Politik ist nicht besonders effizient. Gegen die erratischen Preisausschläge bei Rohstoffen hat sie bis heute kein Rezept gefunden, und Zeit hätte sie seit 2007 dafür gehabt.
Wenn also Joschka Fischers neuer Weltalmanach stimmt, haben die demokratischen Institutionen (und dazu zählen in diesem Fall auch die EU-Gremien) ein Glaubwürdigkeitsproblem der gröberen Art. Es ist die vornehmste Aufgabe der Politik, für sozialen und ökologischen Ausgleich zu sorgen. Nun hat sich die Welt vergrößert und ist angesichts vieler Kommunikationskanäle gleichzeitig verkleinert. Nationale Einheiten ergeben schlicht und ergreifend keinen Sinn mehr, wenn es um die großen Themen geht: Bildung, Jobs, Energie, Nahrung - und eben Umwelt.
In Mittel-, Ost- und Nordeuropa besteht die akute Gefahr, dass in dieses Glaubwürdigkeitsdefizit rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte stoßen. Auch Linke sollten daher großes Interesse haben, dass Joschka Fischer irrt . . .