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Fischpiraten wildern ungestört vor Somalia

Von Clemens M. Hutter

Gastkommentare

Stoff für eine Filmgroteske: Schwerbewaffnete schützen eine Bank, schauen aber zu, wie Räuber unter ihrem Schutz die Bank in aller Ruhe ausweiden. Nach diesem Muster läuft derzeit vor der Küste Somalias ein Schurkenstück: Mit dem Plazet des Weltsicherheitsrats, der Nato und der EU schützen Kriegsschiffe derzeit Öltanker, Handelsschiffe und Luxuskreuzer vor somalischen Piraten.


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Gleichzeitig lassen diese Schutzengel jene Fischpiraten ungestört gewähren, die dort megatonnenweise Hummer und andere Leckerbissen aus dem Meer holen, ihren Fang auf schwimmenden Fischfabriken verarbeiten, auf hoher See umladen und somit keine Zeit für das Löschen ihrer wertvollen Beute in den Heimathäfen verschwenden.

Die einschlägigen Resolutionen des Weltsicherheitsrats verlieren keine Silbe über diese Fischpiraterie, obwohl sie die Schiffspiraterie im Golf von Aden und im indischen Ozean ausgelöst hat. Nach einem verlorenen Krieg gegen Äthiopien und dem Sturz des Diktators Siad Barre setzte 1991 das blutige Gebalge der Clan-Chefs und Warlords um die Macht ein. Vier Jahre später bewertete eine internationale Studie das vom Bürgerkrieg ruinierte Somalia als "gescheiterten Staat" - ohne funktionierende Regierung, Rechtssicherheit und Marine. Also konnten fremde Fischpiraten Somalias Gewässer risikofrei plündern. Nach Schätzungen von Experten lukrierten sie bis heute zwischen zwei und sechs Milliarden Euro.

Die technisch unterlegenen einheimischen Fischer wehrten sich gegen diese Bedrohung ihrer Existenz ebenso vergeblich wie Somalia gegen sein Schicksal. Denn spätestens seit Mitte des

18. Jahrhunderts kämpften somalische Nomaden-Clans um Land und Wasser. Jede der häufigen Dürrekatastrophen raffte ihr Vieh dahin und löste Hungersnöte aus. In der verheerenden Dürre von 1986 verloren zehntausende Nomaden ihre Herden und wurden an der Küste angesiedelt, damit ihnen der Fischfang eine neue Lebensgrundlage verschaffe. 1991 stand ihr Fangergebnis bei 200.000 Tonnen.

Nach Ausbruch des Bürgerkriegs 1991 machte sich nun die Internationale der Fischpiraten über diese "Goldgrube" her. Die Clan-Chefs und Warlords erkannten aber sehr bald ihre Chance: Schiffe zu kapern und Lösegeld zu erpressen, das füllt die Kriegskassen.

Seit 2005 griffen die mittlerweile hochmodern aufgerüsteten Piraten hunderte Schiffe an und kaperten allein heuer 24 Stück. Mit dieser Beute erpressten sie bis jetzt vorsichtigen Schätzungen zufolge 360 Millionen Euro, die den Bürgerkriegskassen zufließen und nicht den einheimischen Fischern. Diese trauen sich aber kaum noch auf das Meer hinaus - die internationalen Schutzengel könnten sie für Piraten halten. Etliche somalische Piraten wurden gefasst und kommen vor Gericht. Doch wer legt den fremden Fischpiraten endlich das schmutzige Fangwerk?

Clemens M. Hutter war bis 1995 Ressortchef Ausland bei den "Salzburger Nachrichten".