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Fiskalische Vererbungslehre

Von Reinhard Göweil

Politik

SPÖ bringt neues Erbschaftssteuer-Konzept ein.


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Wien. Die Koalitionspartner beruhigen, die Minister Hans Jörg Schelling und Rudolf Hundstorfer erklärten am Donnerstag, man werde mit der Steuerreform rechtzeitig bis 17. März fertig. Das war nötig, denn rund um die Gegenfinanzierung der Lohnsteuerentlastung toben ideologische Grabenkämpfe. Der "Millionärssteuer" der SPÖ steht "Sicher keine Vermögenssteuer" der ÖVP unversöhnlich gegenüber.

Erben statt arbeiten?

Die Arbeiterkammer hat nun beim Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) eine Studie erstellen lassen, um die Gründe der Vermögensungleichheit festzustellen. Das Ergebnis: 38,4 Prozent entfallen auf Erbschaften, 20,2 Prozent auf das Aktiv-Einkommen der Haushalte. Studienautor Sebastian Leitner vom wiiw: "Wir haben uns acht EU-Länder angeschaut, die wir aufgrund der Datenlage am besten vergleichen konnten. Nur in Zypern spielen Erbschaften eine geringfügig höhere Rolle. Es fällt auf, dass das Lebenseinkommen darin keine größere Rolle spielt."

Markus Marterbauer, Chef der volkswirtschaftlichen Abteilung der Arbeiterkammer, zieht daraus den Schluss: "Die Erbschaftssteuer ist ein Instrument, die Vermögensungleichheit zu reduzieren. Alles andere führt zu einer weiteren Versteinerung der Gesellschaft, da man mit Arbeit nicht mehr ausreichend Vermögen aufbauen kann."

Die SPÖ wird diese Studie wohl gerne ins Treffen führen, denn sie hat dem Koalitionspartner ein Erbschaftssteuer-Modell auf den Tisch gelegt, das in den kommenden Samstag-Runden der Steuerreform-Verhandler diskutiert werden soll. Die geplante Erbschaftssteuer soll etwa 500 Millionen Euro bringen und Bezieher niedriger Einkommen stärker entlasten. Neben einem Freibetrag von einer Million Euro sind auch Sonderregelungen für Firmenvermögen enthalten. "Wir wollen keine Betriebe zerstören, aber Steuerumgehung vermeiden", sagt Marterbauer dazu. "Mehr will ich nicht dazu sagen."

Firmenvermögen schonen

Diese Ausnahmen dürften sich dem Vernehmen nach am deutschen Modell orientieren. Wer sein Unternehmen innerhalb der Familie weitervererbt, erhält signifikante Steuer-Vergünstigungen, wenn die Zahl der Arbeitsplätze eine bestimmte Anzahl von Jahren nicht sinkt, oder wenn es nicht - binnen einer bestimmten Frist - weiterverkauft wird. Die Rede ist hier von etwa zehn Jahren. Alle anderen vererbten Vermögen könnten mit 25 bis 30 Prozent besteuert werden. Allerdings gibt es auch zum Steuersatz keine Stellungnahmen von SPÖ-Seite, da die Regierungsverhandler erst am Schluss mit einem Gesamtergebnis an die Öffentlichkeit gehen wollen.

Bildung macht reicher

Um Vermögenssteuern, und dazu zählt eine Erbschaftsteuer, wird politisch heftig gerungen. Für die einen sind sie unabdingbare Voraussetzung für mehr soziale Gerechtigkeit, für die anderen das Werkzeug linker Fanatiker, um tüchtige Unternehmer zu vertreiben. ÖVP-Obmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner meinte jüngst, dass ihm einige Stiftungen bereits signalisiert hätten, aus Österreich abzuwandern, sollte tatsächlich eine Vermögenssteuer kommen. Er fürchtet Jobverluste.

Die wiiw-Studie für die Arbeiterkammer hält fest, dass 6,4 Prozent der Ungleichheit aus dem Bildungsstand lukriert werden. "In Großbritannien, das Vermögenssteuern seit Jahrhunderten kennt, gibt es eine Langzeit-Studie, die feststellt, dass sich über Generationen hinweg der soziale Status stärker vererbt als die Körpergröße", sagt der Studienautor mit einem Schmunzeln.

Für die Arbeiterkammer ist dies ein weiteres Indiz für eine Versteinerung der Gesellschaft, die auch der Ökonom Thomas Piketty in seinem Buch "Das Kapital im 21. Jahrhundert" feststellte. "Wenn die Ungleichheit beim Vermögen einfach so weitergeht, werden immer weniger immer mehr auf sich vereinigen. Für eine demokratische Gesellschaft ist dies schwierig, weil es einen Punkt gibt, an dem sich die Leute sagen, Leistung zahlt sich nicht mehr aus", meint Marterbauer, der Jobverluste durch nicht realisiertes Wirtschaftswachstum fürchtet.

Industrie: "AK-Propaganda"

Am anderen Ende des ideologischen Spektrums hört man anderes: "Die andauernde Steuererhöhungspropaganda der Arbeiterkammer wird auch mit mehrmaligem Wiederholen nicht wahrer. Die angeblich ständig größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich ist in Österreich ein Mythos", sagte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, in einer ersten Reaktion. Österreich gehöre, so Neumayer, bereits jetzt zu den "am meisten umverteilenden Ländern". Wichtig wäre eine generelle Entlastung, "auch bei den Arbeitszusatzkosten". Auch der Industriellenvereinigung geht es also um Jobs.

Für die Gewerkschaften, die mit dem Slogan "mehr Netto vom Brutto" 900.000 Unterschriften gesammelt haben, steht die Entlastung der Bezieher niedriger Einkommen im Vordergrund. Und sie verweisen auf aktuelle Wirtschaftsprognosen. Deutschland wächst stärker als Österreich, weil dort der private Konsum anspringt. "Haushalte mit niedrigen Einkommen werden zusätzliches Geld ausgeben und nicht sparen", so die Rechnung. Und das würde - erraten - Jobs schaffen.

Nächste Runde am Samstag

Dass Erbschaften die Vermögensungleichheit zu fast 40 Prozent befeuern, hält Studienautor Leitner für konservativ geschätzt. "Die Datensätze, die uns dazu vorliegen, umfassen weder Stiftungen noch die ganz hohen Einkommen. Wir wissen aber aus Umfragen, dass in den Millionärshaushalten bereits zu 73 Prozent geerbt wurde. Der Durchschnitt, der unsere Basis bildete, liegt bei 35 Prozent. Wir gehen also von einer Unterschätzung aus." Im Klartext: Wer viel hat, hat einen Teil davon bereits geerbt.

Die Studie und die Erbschaftssteuervorschläge dürften also bei der Samstag-Runde unter Leitung von Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Mitterlehner für Kurzweil sorgen . . .