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Fiskalpakt und Autonomie

Von Peter Rosner

Gastkommentare
Peter Rosner ist Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.
© © (C) www.orange-foto.at 2009

Kleineren Staaten sind bei der Fiskalpolitik sehr enge Grenzen gesetzt. Eine offene EU-weite Abstimmung von Geld- und Fiskalpolitik wäre hilfreich.


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Die Möglichkeit einer selbständigen Fiskalpolitik wird durch den Fiskalpakt eingeschränkt. Er sieht vor, dass bei einem zu hohen Defizit eines staatlichen Budgets Organe der EU Kontrollen durchführen dürfen und Maßnahmen erzwungen werden können. Ob das mit der österreichischen Verfassung vereinbar ist, muss geprüft werden.

Es ist jedoch eine andere Frage, ob die österreichische Politik dadurch Autonomie verliert. Welche Handlungsmöglichkeiten gehen verloren, die ohne diesen Vertrag wirtschaftlich vorhanden sind?

Die gegenwärtige Krise zeigt, dass kleineren Staaten - in diesem Zusammenhang ist auch Deutschland ein kleiner Staat - bei der Gestaltung der Fiskalpolitik sehr enge Grenzen gesetzt sind. Budgetdefizite sind nur im begrenzten Ausmaß finanzierbar, insbesondere wenn sie mit Leistungsbilanzdefiziten einhergehen. Kein Staat kann es sich leisten, fortgesetzt die Staatsschuld zu erhöhen, ohne den Kapitalverkehr einzuschränken. In diesem Fall wäre es leicht, die Staatsschuld im Inland auch zu niedrigen Zinssätzen zu finanzieren. In einer für Exporte und Importe offenen Wirtschaft wäre das aber keine vernünftige Option.

Man muss davon ausgehen, dass die Autonomie der Staaten bei der Fiskalpolitik durch die Finanzmärkte erheblich beschränkt ist. Der Fiskalpakt schafft eine politische und administrative Schranke der Autonomie als Ergänzung und Alternative zur Schranke durch die Märkte. Das scheint notwendig zu sein, weil die Wirkungsweise der Märkte recht unvollkommen ist. Konnte man längere Zeit hindurch im Euroraum sehr hohe Defizite mit sehr niedrigen Zinssätzen finanzieren, so bedrohen jetzt kleine Veränderungen der Nachrichten die Wirtschaften von Staaten und damit der EU. Der im Finanzpakt vorgesehene politische Prozess der Kontrolle von öffentlichen Finanzen und der Einschränkung der Autonomie kann stabilisierend wirken.

Daraus folgt nicht, dass der Stabilitätspakt in seiner jetzigen Form gut ist. Aber das eigentliche Problem ist nicht die verlorene Autonomie, vielmehr die institutionelle Trennung von Geldpolitik und Fiskalpolitik. Das entspricht vielleicht der reinen Lehre, kann aber schon seit längerer Zeit nicht durchgehalten werden. Tatsächlich unterstützt die Europäische Zentralbank (EZB) Staaten mit fiskalischen Schwierigkeiten - glücklicherweise. Sie kann das nicht offensiv tun, sondern muss die Hilfen so gestalten, dass der Schein der Nicht-Unterstützung gewahrt bleibt. Die Politik ist entsprechend halbherzig, was ihre Glaubwürdigkeit beschränkt. Diese ist aber zur Stabilisierung der Erwartungen über die künftige Politik notwendig.

Die Staaten wiederum greifen in die Geldpolitik ein, indem sie in Gefahr geratene Banken retten - ebenfalls: glücklicherweise. Sie erhöhen dabei die Schwierigkeiten für ihre eigenen Finanzen und machen weitere Unterstützungen durch die EZB notwendig. Eine offene EU-weite Abstimmung von Geld- und Fiskalpolitik wäre hilfreich. Diese ist mit einer vollen einzelstaatlichen Autonomie im Budget- und Steuerfragen unvereinbar.