Eine Lockerung des Fiskalpaktes hätte negative Folgen, es braucht vielmehr ergänzende, Wachstum stimulierende Maßnahmen.
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Vor wenigen Tagen erschien in der "Wiener Zeitung" ein Gastkommentar von Gerhard Zahler-Treiber mit dem Titel "Kritik am Fiskalpakt ist keine Revolte gegen Faymann". Dieser Aussage ist beizupflichten; und wenn die ÖVP aus der Zustimmung des Bundeskanzlers zum Fiskalpakt beim Europäischen Rat solches herausliest, macht sie aus einem wichtigen europäischen Thema innenpolitisches Kleingeld.
Die weitere Argumentation des Kommentars verliert sich leider in Demagogie. Viermal wird die Beifügung "neoliberal" strapaziert, von der neoliberalen Elite zum neoliberalen Spardogma. Dazu zehn Punkte:
Die Neoliberalismus-Keule basiert auf einem falschen Begriff. Als "neoliberal" wurden nach dem Zweiten Weltkrieg die Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft bezeichnet, die sich vom Manchester-Liberalismus abgrenzen wollten.
Die "neoliberalen" Vertreter der Sozialen Marktwirtschaft treten sehr wohl für Wirtschaftswachstum ein, das sie durch zu weitgehende Staatsinterventionen gefährdet sehen.
Sie treten aber gegen ein Wachstum auf, das nicht nachhaltig ist, sondern kurzfristig Konsumnachfrage durch exzessive öffentliche (Budgetdefizite) oder private (Immobilienblasen) Verschuldung schafft.
Durch den ständigen Staatsschuldenaufbau sind viele EU-Staaten von den Finanzmärkten abhängig geworden und haben den "Primat der Politik" leichtfertig verspielt.
Der Fiskalpakt ist der - bisher weitgehend erfolgreiche - Versuch der Politik, das Vertrauen der Finanzmärkte wiederzugewinnen, die sich aus der Finanzierung von Ländern mit exzessiver Staatsverschuldung und/oder einem bankrotten Bankensystem zurückgezogen hatten.
Der Fiskalpakt ist nicht demokratiepolitisch "desaströs" und entmachtet auch nicht das Parlament. Ganz im Gegenteil, er muss als multilateraler Staatsvertrag von den nationalen Parlamenten genehmigt werden.
Eine Lockerung des Fiskalpaktes, bevor er noch beschlossen ist, würde wieder zu einem Vertrauensverlust bei den Kreditgebern und damit zu einem neuerlichen Aufbrechen der Verschuldungskrise mit markantem Zinsanstieg führen.
Natürlich ist das gleichzeitige Sparen in allen Eurostaaten ein ernstes Problem. Es ist allerdings zum Teil selbstverschuldet, da vielfach an wachstumswirksamen investiven Ausgaben (Bildung, Forschung, Infrastruktur) gespart wurde, während unpopuläre Einschnitte in die öffentliche Verwaltung und Reformen der Sozialsysteme hinausgeschoben werden.
So sehr kurzfristige Revisionen des Fiskalpaktes kontraproduktiv wären, so notwendig sind ergänzende, Wachstum stimulierende Maßnahmen. Dazu gehören die Strukturreformen auf überregulierten Arbeits- und Dienstleistungsmärkten ebenso wie Finanzierungshilfen für Klein- und Mittelbetriebe, die beschleunigte Inangriffnahme von Infrastrukturprojekten sowie die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für Forschung und Bildung.
Das alles ist weder neoliberal noch sozial, sondern schlicht und einfach ökonomisch rational.