)
Von Bewegung profitiert der gesamte Körper - auch das Gehirn.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Wer gerne und viel auf der faulen Haut liegt, plagt sich nicht nur bewegungstechnisch, sondern auch kognitiv. Wie sehr nämlich sportliche Aktivität mit der Leistungsfähigkeit des Gehirns zusammenhängt, verdeutlichte die Sportwissenschafterin Nicole Wenderoth vom Department Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich am Mittwoch am Rande des derzeit in Wien stattfindenden 21. Kongresses des European College of Sport Science (ECSS) gegenüber der "Wiener Zeitung".
Durch regelmäßige Bewegung beziehungsweise Muskelaktivität, wie etwa Laufen oder Krafttraining, aber auch Spazierengehen, schüttet der Körper einen ganz besonders wichtigen Botenstoff aus. Das Protein BDNF (Brain-derived neurotophic factor) schützt einerseits die im Gehirn existierenden Nervenzellen (Neuronen) und deren Verknüpfungen mit anderen Zellen (Synapsen) und lässt andererseits ganz neue entstehen. Durch körperliche Aktivität werden zudem auch neue Blutgefäße in unserem Denkorgan gebildet, wodurch das Gehirn besser mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden kann.
Vom Kind bis ins hohe Alter
Die positive Wirkung erstreckt sich vom Kind bis ins hohe Alter. So sorgen die Mechanismen bei den Jüngsten zum Beispiel für bessere Leistungen in der Schule und bei den Erwachsenen für eine Verlangsamung der voranschreitenden Degeneration der Gehirnzellen, die in späteren Jahren zumeist in Demenzerkrankungen zu Tage tritt.
Bisher hat man mit kognitivem Training wohl anderes in Verbindung gebracht als Bewegung. Besonders einfach und gemütlich gestaltet sich nämlich der Griff zum Tablet, um in Form von Spielen und diversen Apps Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit zu trainieren. Sowohl Kindern als auch Senioren wird diese Möglichkeit der Aufmöblung der Gehirnzellen immer öfter geboten, liegen doch auch die Resultate auf der Hand.
"Das Erstaunliche ist aber, dass man mit nur 30 Minuten spazierengehen pro Tag einen positiven Effekt auf alle kognitiven Aspekte erreicht", schilderte Wenderoth. Aber noch viel mehr. Denn Bewegung wirkt zahlreichen Studien zufolge auch protektiv gegen viele weitere Alterserscheinungen wie Diabetes, Herzkreislauferkrankungen oder Arterienverkalkung. Körperliche Aktivität gelte daher als "Jungbrunnen in der heutigen Gesellschaft", betonte die Sportwissenschafterin.
Und weiter: "Die nächste große Aufgabe, die auf die Gesellschaft wartet, wird sein, nicht nur aufzuzeigen, dass der Mensch körperliche Aktivität benötigt, sondern sich etwas auszudenken, wie wir einen möglichst großen Teil der Bevölkerung dazu bringen, sich mehr zu bewegen." Denn das Wissen darüber und das Tun gehen, wie jeder von uns es kennt, nicht immer Hand in Hand.
Dies gilt aber nicht nur für den privaten Bereich. So fordert die Wissenschafterin auch mehr Aktivität im Bereich der Rehabilitation ein. Passive Anwendungen wie Massagen oder Meditation seien wichtige Aspekte, doch dürfe auf die aktive Bewegung nicht vergessen werden. Für viele Patienten, so etwa nach einem Schlaganfall, Unfall oder einer Krebsbehandlung, sei dies "harte Arbeit", doch die Erfolge könnten sich immer wieder sehen lassen.
Aufgabengebiete erweitert
Das Feld der Sportwissenschaften ist in den letzten Jahren nicht zuletzt mit Blick auf die großen Aufgabengebiete, die eine alternde Gesellschaft mit sich bringt, viel breiter geworden. Sie beschäftigt sich daher nicht nur damit, wie Topathleten Spitzenleistungen erreichen können, sondern im Gesamten mit dem Thema Bewegung und deren Auswirkungen - sowohl im Bereich des Spitzen- und Freizeitsports als auch im medizinisch-therapeutischen Komplex.
Mehr als 2700 Experten sind zu diesem weltgrößten Meeting der Sportwissenschaft, das vom Zentrum für Sportwissenschaft und Universitätssport der Universität Wien ausgerichtet wird, in die Bundeshauptstadt gekommen. Bis Samstag soll unter dem Motto "Crossing Borders through Sport Science" auch die multi- und interdisziplinäre Erforschung des Sports als Schwerpunkt vorangetrieben werden.
www.ecss.congress.eu/2016