Frühwarnsystem und neue Behörden. | Streit um EU-Kompetenzen programmiert. | Brüssel. Einen Tag vor dem Weltfinanzgipfel hat die EU-Kommission am Mittwoch ihre Gesetzesvorschläge für die Neuordnung der Finanzmarktaufsicht in der EU vorgelegt. Gemäß den Empfehlungen einer Expertengruppe unter dem früheren französischen Notenbankchef Jacques de Larosiere wird einerseits ein Frühwarnsystem für systematische Probleme am Finanzmarkt und andererseits eine institutionalisierte Zusammenarbeit der nationalen Aufsichtsbehörden angestrebt.
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"Damit werden wir weltweit eine neue Finanzmarktarchitektur einleiten", erklärte Wirtschaftskommissar Joaquin Almunia. Streit gab es allerdings gleich einmal über die Kompetenzen der neuen EU-Behörden. Vor allem die Deutschen wehren sich dagegen, mit verbindlichen EU-Weisungen konfrontiert zu werden.
Im Rahmen eines Europäischen Rats für Systemrisiken (ESRB) sollen die 27 Notenbankchefs regelmäßig mit Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB) und der EU-Kommission tagen und die Großwetterlage auf den Finanzmärkten analysieren. Bei möglicherweise gefährlichen Entwicklungen soll der ESRB warnen und Empfehlungen für das Gegensteuern geben.
Sanktionen sind unklar
Offen blieb allerdings vorerst, welche ernsthaften Folgen es für ein Land hätte, wenn es diese Ratschläge nicht befolgt. Der betroffene Staat müsste in diesem Fall nur den Grund erläutern. Darüber hinaus redete Almunia nur allgemein vom Gruppendruck der Mitgliedstaaten und Aufsichtsbehörden sowie des Marktes, der wohl zur Durchsetzung führe. Im Extremfall könnte der ESRB den EU-Finanzministerrat anrufen.
Noch heikler scheint die Etablierung eines Europäischen Systems für Finanzaufsicht. Drei bisher eher zahnlose EU-Expertenausschüsse sollen dafür zu mehr oder weniger weisungsbefugten EU-Behörden ausgebaut werden. Konkret sollen eine Aufsicht für Banken (Eba) mit Sitz in London, eine für Versicherungen und Pensionsfonds (Eiopa) in Frankfurt und eine für den Wertpapierhandel (Esma) in Paris entstehen.
Während national operierende Institute weiter von nationalen Finanzmarktaufsichten betreut würden, hätten diese neuen EU-Behörden bei grenzüberschreitenden Streitfällen zweier nationaler Aufsichten das letzte Wort. Zwar betonte Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy, es dürfe nicht in die nationale Steuer hoheit eingegriffen werden. Doch "im Notfall" scheinen sogar direkte Anweisungen an Geldinstitute möglich.
Diese könnte das betroffene Land nur mit einer Mehrheit der Finanzminister aushebeln - und das gefällt Berlin nicht. Zu diesem Punkt werde es noch ausführliche Diskussionen unter den Mitgliedstaaten geben, meinte McCreevy.