Milchbauern demonstrieren gegen Preisverfall - EU-Kommission kündigt Hilfsprogramm an.
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Brüssel. Brennendes Heu, scheppernde Kuhglocken, blockierte Straßen und hupende Traktoren: Mit lautem und von weitem sichtbaren Protest machten tausende Milchbauern in Brüssel auf ihre wirtschaftliche Lage aufmerksam, die sich durch den Preisverfall verschlechtert. In kilometerlangen Kolonnen haben sich Landwirte aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien oder Spanien auf den Weg zum Schuman-Platz im EU-Viertel gemacht, wo die Agrarminister der EU zu einem Sondertreffen zusammenkamen.
Der Rauch und der Lärm drangen zwar nicht bis in den Sitzungssaal der Politiker vor, doch die Forderungen der Bauern waren klar. Seit Wochen verlangen diese ein Kriseninstrument, das die Milchherstellung reduzieren würde; zu Demonstrationen war es deswegen bereits in mehreren Ländern gekommen. So haben die französischen Vertreter schon einmal Autobahnen blockiert und sind in der Vorwoche mit ihren Traktoren nach Paris gezogen.
Viele Landwirte sind in Bedrängnis, weil der Preis für einen Liter Rohmilch auf weniger als 30 Cent eingebrochen ist, was unter anderem auf das russische Embargo auf EU-Produkte sowie die schwache Nachfrage in China zurückzuführen ist. Und das Überangebot wiederum würden Handelsketten als Begründung nutzen, um die Preise zu drücken. "Der EU-Milchmarkt ist überschwemmt", betonte Romuald Schaber, Vorsitzender des europäischen Interessensverbandes EMB (European Milk Board). Ohne eine Reduktion der Produktion werde sich der Markt weiter rapide verschlechtern.
Auch aus Österreich, wo im Vorjahr an die 31.500 Bauern rund drei Millionen Tonnen Milch produziert haben, kamen warnende Stimmen. "Die Krise ist voll da", zitierte die Austria Presseagentur den Obmann von IG Milch, Ewald Grünzweil. Die Interessensvertreter wünschen sich einen Preis von 50 Cent pro Liter für konventionelle Milch - derzeit liegt er bei 30 - und 60 Cent für Biomilch.
Hilfe um 500 Millionen Euro
In Brüssel wiederum sprach der österreichische Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter von der Möglichkeit, vorübergehend den Interventionspreis zu erhöhen, unter dem die EU Agrarprodukte aufkaufen kann. Laut Rupprechter wäre eine Anhebung von 20 auf mindestens 25 Cent pro Liter notwendig, befristet auf ein halbes Jahr. Damit könnten Milch und Magermilchpulver zur Entlastung vom Markt genommen werden.
Diese Idee hat die EU-Kommission aber fürs erste nicht aufgegriffen. Doch hat sie ein Hilfsprogramm für Landwirte im Wert von 500 Millionen Euro angekündigt. Das Paket richtet sich nicht nur an Milchbauern. Diese sind nämlich nicht die einzigen, die über Einkommenseinbußen klagen. Auch der Markt für andere Agrarprodukte sowie für Schweinefleisch bietet den Landwirten Anlass zur Sorge.
Die nun vorgeschlagenen Maßnahmen umfassen sowohl Anreize zum Export als auch Unterstützung bei akuten Zahlungsschwierigkeiten. So sollen bereits geplante Direktzahlungen und andere Förderungen leichter als bisher vorgezogen werden dürfen. Ein Großteil der 500 Millionen Euro wird aber aus der sogenannten Superabgabe finanziert. Diese mussten die Bauern ins EU-Budget einzahlen, wenn sie mehr produziert haben als die Milchquote erlaubte, die bis vor wenigen Monaten die Produktion beschränkt hat.
Bei der Entscheidung, wie sie das Geld einsetzen, haben die Mitgliedstaaten ihren Spielraum. Doch wird dem noch ein heftiges Tauziehen um die Verteilung der Mittel vorangehen. Welches Land nämlich wie viel an Finanzhilfe erhält, ist noch nicht fixiert. So ist auch noch Österreichs Anteil offen. Die Verhandlungen über die Details werden in den kommenden Tagen geführt.