Brüssel senkt Prognose für Österreich auf 0,4 Prozent BIP-Plus im heurigen Jahr, Teuerung bei 7,1 Prozent erwartet.
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Österreichs Wirtschaft köchelt in diesem Jahr nur auf Sparflamme. Aus Sicht der EU-Kommission wird das Wachstum mit 0,4 Prozent nur knapp über der Nulllinie liegen. Ihre bisherige Prognose für heuer - ein Plus von 0,5 Prozent - hat die Kommission damit sogar etwas gesenkt. Nach wie vor deckt sich die jetzige Erwartung jedoch weitgehend mit den Einschätzungen der beiden heimischen Konjunkturforschungsinstitute Wifo und IHS, die ein Wachstum von 0,3 beziehungsweise 0,5 Prozent voraussagen. Mit ihrer neuen Prognose hat die Europäische Kommission am Montag somit nichts Überraschendes geliefert.
Das gilt auch für die Konjunkturprognose für das kommende Jahr, in dem es wieder bergauf gehen sollte. Rechnet die Kommission mit einem Plus von 1,6 Prozent, gehen Wifo und IHS von einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 1,8 respektive 1,4 Prozent aus.
Für die gesamte EU sieht es wirtschaftlich besser aus als in Österreich, vor allem was das heurige Jahr betrifft. Hier hat die Kommission die Wachstumsprognose von bisher 0,8 auf 1,0 Prozent nach oben korrigiert. 2024 sollte sich das EU-weite Wirtschaftswachstum dann auf 1,7 Prozent beschleunigen. Auch die Eurozone sollte heuer mit 1,1 Prozent doppelt so stark wachsen wie Österreich. Für 2024 sieht die Kommission das durchschnittliche Wirtschaftswachstum der 20 Euroländer wie in der Alpenrepublik bei 1,6 Prozent.
"Die EU hat eine Rezession abgewendet", betonte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Die niedrigeren Energiepreise, nachlassende Versorgungsengpässe sowie ein starker Arbeitsmarkt im ersten Quartal hätten zu den besseren Aussichten geführt, so der Italiener.
Gentiloni sieht "Höhepunktder Inflation überschritten"
Ihre neu angepassten Erwartungen für Österreichs Wirtschaftswachstum begründete die EU-Kommission mit der nach wie vor teuren Energie, den steigenden Lohnstückkosten sowie einem nur schwachen Exportwachstum. Deutliche Lohnerhöhungen im Jahr 2023 hätten zu einer hohen Inflation geführt. Brüssel erwartet jedoch, dass die hohen Einzelhandelspreise für Energie nun allmählich nachlassen. Auch die höheren Nominallöhne sollten 2024 zu mehr Konsum und damit auch zu einem stärkeren Wachstum führen. Außerdem sei mit einem Anstieg der Exporte zu rechnen.
Indes bleibt die Inflation europaweit höher als zuletzt erwartet. Für heuer erwartet die Kommission eine Rate von 5,8 Prozent in der Eurozone und eine von 6,7 Prozent in der EU. Erst für 2024 sei mit 2,8 beziehungsweise 3,1 Prozent eine Entspannung in Sicht. "Den Höhepunkt der Inflation haben wir überschritten", sagte Gentiloni.
Auch in Österreich wird die Inflation laut Prognose der Kommission mit 7,1 Prozent auf hohem Niveau verharren. Erst 2024 sollte die Rate auf 3,8 Prozent sinken. Zum Vergleich: Wifo und IHS sehen die Teuerung im laufenden Jahr bei 7,1 beziehungsweise 7,5 Prozent und im Folgejahr dann bei 3,8 respektive 3,5 Prozent.
In Österreich war die Inflationsrate zuletzt freilich deutlich höher als in anderen Euroländern, woran sich auch in den kommenden Monaten nichts ändern dürfte. In den ersten vier Monaten 2023 belief sich die durchschnittliche Teuerung hierzulande auf mehr als 10 Prozent, wie die Volkswirte der Bank Austria erhoben haben. Sie haben ihre Inflationserwartungen für heuer deshalb nun kräftig um gut einen Prozentpunkt auf 7,6 Prozent angehoben und sind damit vergleichsweise am pessimistischsten, was die Entwicklung der Verbraucherpreise betrifft. Auch für 2024 sehen sie mit rund 3,5 Prozent eine höhere Inflation als zuletzt.
"In den kommenden Monaten ist weiter mit starken inflationstreibenden Kräften durch die Weitergabe der gestiegenen Kosten auf viele Dienstleistungspreise zu rechnen, die den sinkenden Energiepreisen entgegenwirken", sagte Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl am Montag. "Der Rückgang der Inflation kommt dadurch in Österreich nur sehr langsam voran, deutlich langsamer als in den meisten Ländern des Euroraums."
Zinserhöhungen wirken laut EZB 2024 am stärksten
Die Europäische Zentralbank (EZB) erwartet unterdessen laut einer zu Wochenbeginn veröffentlichten Studie ihrer eigenen Volkswirte, dass ihre rasanten Zinserhöhungen wahrscheinlich im kommenden Jahr ihre größte Wirkung auf die Preise entfalten. Wie die Notenbank mitteilte, zeigten die Ergebnisse der Studie, dass die geldpolitische Straffung die Wirtschaftsaktivitäten und die Inflation im Zeitraum 2023 bis 2025 wahrscheinlich erheblich dämpfen werden.
Im Kampf gegen die hohe Inflation hat die EZB ihre Schlüsselzinsen seit Juli 2022 mittlerweile um insgesamt 3,75 Prozentpunkte (375 Basispunkte) angehoben. Die Ökonomen der Bank Austria gehen von weiteren Anhebungen der Leitzinsen um jeweils 25 Basispunkte im Juni und Juli aus. Damit sollten der Refinanzierungssatz mit 4,25 Prozent und der Einlagensatz mit 3,75 Prozent ihren Höhepunkt erreicht haben, sagen sie. Von ersten Zinssenkungen sei erst für die zweite Hälfte 2024 auszugehen.
Erstmals hat die EU-Kommission auch eine Konjunkturprognose für die Ukraine erstellt. Diese fällt überraschend positiv aus. Nach einem Einbruch um 29 Prozent im Vorjahr werde die ukrainische Wirtschaft in diesem Jahr voraussichtlich um 0,6 Prozent und 2024 um 4,0 Prozent wachsen, wie es hieß. Die Wirtschaft des von Russland angegriffenen Landes habe sich als "ungemein widerstandsfähig" erwiesen. Die Vorausschau für die Ukraine sei jedoch mit hohen Unsicherheiten behaftet und hänge entscheidend von der weiteren Entwicklung des Krieges ab. (kle)