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Fleckerlteppich in der Forschung

Von Eva Stanzl und Heiner Boberski

Wissen
Von Politik bis hin zu Untersuchungen an Molekülen: Das Spektrum und die Konstruktionen der außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind breit. Foto: fotolia

Gewisse Basisförderungen weitergeführt. | Wie viel letztlich gespart wurde, ist noch unklar. | Wien. Ein Aufschrei war die Folge, als im Herbst 2010 angekündigt wurde rund 70 außeruniversitären Forschungseinrichtungen in Österreich werden schon ab 2011 die Basisfinanzierung aus dem Budget des Wissenschaftsministeriums gestrichen. | Unter den Fittichen der Finanz


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Fiel damit doch einer der Grundpfeiler der unter Bruno Kreisky gegründeten unabhängigen Einrichtungen (siehe Wissen unten) den Sparmaßnahmen zum Opfer. Angesehene Institute müssten um ihr Überleben bangen, es zeichne sich ein "Kahlschlag" in der Forschung ab.

Das Wissenschaftsministerium ruderte schließlich zurück: Die außeruniversitären Institute würden mit anderen Konstruktionen weiterfinanziert. Bei einer Eingliederung in die Unis würden sie bis 2014 Budgets aus den 80 Millionen Euro an Uni-Sondermitteln erhalten - die Umstrukturierungen würden im Sommer abgeschlossen sein.

Im Ministerium zieht die zuständige Sektionsleiterin Barbara Weitgruber im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" eine positive Zwischenbilanz: "Die Budget-Restriktionen haben ins System eine Bewegung in die richtige Richtung gebracht. Es ist der Versuch, das System besser zu positionieren." Die Maßnahme sei ja auch auf der Basis mehrerer Empfehlungen, etwa des Wissenschaftsrats oder des Rechnungshofs, getroffen worden: Man solle in Österreichs Forschung mehr "kritische Größen schaffen und Doppelgleisigkeiten vermeiden".

Drei-Säulen-Modell

Überschneidungen mit der Uni-Forschung mag es gegeben haben. Themen-Verfehlungen wohl auch, etwa wenn vereinzelte Institute im Interesse von Parteien forschten. Doch ein Blick auf den Zwischenstand zeigt, dass auch die jetzigen Lösungen sich einzig in ihrer Vielfalt vereinen.

Weitgruber betont, eine Evaluierung aller Institute vor der Streichung der Basissubvention wäre wegen der Unterschiedlichkeit der Einrichtungen "unmöglich" gewesen. Resultat ist aber nahezu alles - von der Weiterführung der Basisbudgets unter anderem Namen bis hin zu Neukonstruktionen mit neuen Partnern.

Konkret ruht das neue Modell auf drei Säulen. Unter Säule eins fallen in erster Linie Einrichtungen, die an eine Universität angegliedert werden. Bereits vollzogen ist der Prozess beim Erwin-Schrödinger-Institut, das eine Forschungsplattform der Uni Wien wird, oder beim Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich an der Uni Graz. Gleich drei außeruniversitäre Einrichtungen und ein Uni-Zentrum im Bereich Friedens-, Demokratie- und Konfliktforschung schließen sich an der Uni Klagenfurt zu einem Friedens-Cluster zusammen. Alle erhalten zweckgebunden Gelder aus den Uni-Sondermitteln in Höhe ihrer bisherigen Budgets bis 2014, danach wird weiterverhandelt.

Auch Susan Milford, Geschäftsführerin des Instituts für den Donauraum (IDM), lukriert nun den Gegenwert der 180.000 Euro Basisfinanzierung auf diese Weise. Das IDM kooperiert mit der Universität für Bodenkultur. Jedoch stehen inhaltiche Änderungen bevor. Sie räumt ein: "Wir bis auf weiteres Planungsssicherheit. Jedoch werden wir unsere Schwerpunkte auf Ökologie verlagern anstatt auf hauptsächlich Politik."

Bei Säule zwei des Ministeriums ist, so Weitgruber, "die Klientel größer als die bisher basisfinanzierten Institute". Denn nicht nur sie, sondern auch andere Einrichtungen "können sich um eine Zusatzförderung für im 7. EU-Rahmenprogramm laufende Projekte bewerben". Neue, interdisziplinäre Kooperationen könnten zu Stande kommen - und mehr EU-Förderungen nach Österreich gehen.

Säule drei soll eine Plattform der zeithistorischen Archive werden, in die etwa das Bruno Kreisky-Archiv oder der Verein zur Geschichte der Abreiterbewegung eingehen.

Neue Think Tanks

Das Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) könnte im Bereich der zweiten Säule zur "Drehscheibe für Exzellenzforschung für Zentral- und Osteuropa" werden, sagt Sprecher Sven Hartwig. Verhandlungen laufen mit dem polnischen Wissenschaftsministerium und der Zentraleuropa-Universität. Solche Einrichtungen und die EU könnten für den Gegenwert von bisher 750.000 Euro Basisfinanzierung aufkommen müssen.

Völlig ungeklärt scheint die Zukunft des Österreichischen Instituts für Internationale Politik (OIIP). "Von unseren 13 Mitarbeitern wurden nur jene, die habilitiert sind, von der Uni Wien übernommen. Dort betreuen wir ein Drittel der Dissertationen in der Internationalen Politik, mein Institut führe ich nebenbei", sagt OIIP-Direktor Otmar Höll: "Was passiert, wenn ich ausgestiegen bin, weiß ich nicht." Angedacht sei ein an das Parlament angegliederter Think Tank zusammen mit zwei weiteren Politikforschungsinstituten, konkret ist noch nichts.

Stiftung und Archiv

Das Lateinamerika-Institut hingegen, das unter anderem Sprachkurse anbietet, erhält den Gegenwert seiner Basisabgeltung von 60.000 Euro oder sechs Prozent seines Budgets weiterhin im Rahmen eines Dienstleistungsvertrags mit dem Wissenschaftsministerium "zur internationalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit", sagt Geschäftsführerin Stefanie Reinberg.

Auch die Friedrich und Lillian Kiesler-Stiftung bekommt ihre Basissubvention weiter. Stiftungsvorstand Dieter Bogner betont: "Wir sind ein Archiv und ein Museumsbetrieb, der forscht, mit einem Stiftungsvermögen." Die Kunstwerke im Nachlass des Architekten gehen bei einer Schließung der Stiftung an Bund und Stadt. "Die Verwaltung durch den neuen Eigentümer würde mehr Geld kosten als unsere 200.000 Euro Jahresbudget", sagt Bogner.

Ob dabei überhaupt noch gespart werden kann? "Insgesamt betrug die bisherige Basissubventionierung rund acht Millionen Euro im Jahr. Einiges davon wird eingespart - wie viel genau, wird erst in einigen Wochen klar sein", so Weitgruber.

Wissen

(kats) Von der Streichung der Basisförderung für die außeruniversitäre Forschung sind etwa 65 Einrichtungen betroffen.

Zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen zählen auch ältere Institute wie die 1847 gegründete Akademie der Wissenschaften oder die Ludwig Boltzmann Gesellschaft (Gründungsjahr 1960). Einen Schub hat die außeruniversitäre Forschungslandschaft aber unter Hertha Firnberg - SPÖ-Wissenschaftsministerin von 1970 bis 1983 - bekommen. Sie hat mit dem 1981 verabschiedeten Forschungsorganisationsgesetz dafür gesorgt, dass auch "sonstige wissenschaftliche Einrichtungen mit eigener Rechtspersönlichkeit" Basisförderung erhalten. Zu den Gründen dafür gibt es unterschiedliche Lesarten: Auf der Homepage des Wissenschaftsministeriums heißt es dazu, Firnberg habe die Förderung eingeführt, weil die Unis damals aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen "nicht flexibel genug waren, auf neue Forschungsfelder entsprechend reagieren zu können". Der ehemalige Bildungssprecher der SPÖ, Erwin Niederwieser, sieht auch einen gesellschaftspolitischen Anspruch: Die Unis seien damals ein "Hort der konservativen Wissenschaften" gewesen - um mehr Freiheiten in der Forschung zu bekommen, aber auch um akquirierte Drittmittel nicht sofort in das Uni-Budget geben zu müssen, hätten viele Forscher eigene, freie Einrichtungen gegründet.

30 Jahre später wird nun die Basisförderung wieder gestrichen, ein Drittel der betroffenen Institute wird erneut in die Unis eingegliedert.

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