Flattertiere haben häufig ein langes Leben, weil sie relativ wenig Nachwuchs bekommen.
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Berlin. "Gäbe es Lebensversicherungen für Fledermäuse, müssten ältere Tiere keinen Zuschlag zahlen", scherzt Gerald Kerth von der deutschen Universität Greifswald. Natürlich gibt es keine solchen Versicherungen für die schnellen Luftjäger der Nacht. Bei Menschen dagegen ist ein solcher Zuschlag durchaus üblich, wenn sie im gesetzteren Alter nach einer solchen Polizze fragen. Schließlich steigt das Sterberisiko etwa ab dem 50. Geburtstag merklich an.
Damit aber wächst das Risiko für das Unternehmen, die Versicherungssumme auszahlen zu müssen. Genau das lässt der Versicherer sich mit einem Zuschlag vergüten. Dieser aber würde bei höheren Fledermaus-Semestern kaum fällig, weil bei ihnen das Sterberisiko kaum steigt. Das zeigen jetzt Gerald Kerth und Toni Fleischer von der Uni Greifswald gemeinsam mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock in der Zeitschrift "Scientific Reports".
Fledermäuse scheinen also kaum zu altern. Damit aber verhalten sich die fliegenden Säugetiere völlig anders als andere Tiere einschließlich uns Menschen. In der ersten Lebensspanne kurz nach der Geburt ist das Sterberisiko oft recht hoch, um danach längere Zeit auf niedrigem Niveau zu verharren, bevor es später wieder ansteigt. "Obwohl einzelne Menschen mehr als 120 Jahre leben, fordern Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs etwa ab dem 50. Lebensjahr ihren Tribut", erklärt Kerth diese Lebenskurve.
Als die Forscher aber seit 1996 das Leben von 248 Bechsteinfledermaus-Weibchen beobachteten, die in den Wäldern Würzburgs leben, zeigten diese auch im Alter kaum eine höhere Sterblichkeit. Damit brachten die Forscher ein wenig Licht in ein Rätsel, das Zoologen lange beschäftigt: In der Regel steigt die Lebenserwartung von Säugetieren mit ihrer Größe an. Wird eine etwa 20 Gramm schwere Hausmaus im Normalfall gerade einmal zwei oder drei Jahre alt, erreicht ein fünf Tonnen wiegender Elefant oft ein Alter von 70 Jahren.
Ein Junges pro Jahr
Auch Menschenaffen oder Orcas sind vergleichsweise groß und langlebig. Solche großen Arten bekommen relativ selten Nachwuchs, oft liegen ein paar Jahre zwischen zwei Geburten und Mehrlingsgeburten sind die Ausnahme. Arten wie Hauskatzen oder auch Hausmäuse werfen in ihrem kurzen Leben dagegen häufiger und auch mehr Nachkommen zeitgleich.
In dieses Schema passt die Bechsteinfledermaus wie viele andere Fledermausarten überhaupt nicht. Die Tiere haben in der Regel nur ein Junges im Jahr und wiegen gerade einmal zehn Gramm. Für ihre Größe werden sie aber steinalt, ein Methusalem hatte nachweislich 21 Jahre auf dem Buckel. Bei der ähnlich großen Brandt- oder Großen Bartfledermaus entdeckten Forscher in Sibirien sogar ein mindestens 42 Jahre altes Tier.
Akute Ereignisse nachteilig
Offensichtlich verdanken die Tiere ihr langes Leben einer Sterblichkeit, die auch bei den geflügelten Senioren kaum ansteigt. Woran könnte das liegen? Eine Rolle könnte bei der Bechsteinfledermaus der Winterschlaf spielen. Da fällt die Körpertemperatur auf zwei bis zehn Grad ab, der Organismus läuft auf Sparflamme - und produziert kaum Schäden, die in der Regel an den Biomolekülen der Zellen auftreten. Da auch Fledermausarten sehr alt werden, die in den Tropen leben und keinen Winterschlaf halten, muss es aber noch weitere Faktoren geben.
"Eines könnte die im Flug höhere Körpertemperatur sein, bei der sich Erreger leichter bekämpfen lassen", so Kerth. Er ist den zellulären Hintergründen der Fledermaus-Methusalems zwar auf der Spur, Ergebnisse sind aber noch Mangelware. "Fledermäuse können sich diesen Lebensstil mit hoher Lebenserwartung und relativ wenigen Nachkommen auch deshalb leisten, weil sie vergleichsweise wenige Fressfeinde haben", erklärt der Forscher weiter.
Außergewöhnliche Ereignisse aber können die Vorteile dieser Lebensweise ins Gegenteil verkehren. So war der Winter 2010/2011 in weiten Teilen Mitteleuropas besonders hart und dauerte für die Fledermäuse bald sieben Monate. Vielleicht weil ihre Energievorräte nicht so lange reichten, überlebten viele Tiere diesen Winter nicht. "Davon hat sich die Population bis heute noch nicht völlig erholt", weiß Kerth. Solche Katastrophen bringen daher Fledermaus-Gruppen in Gefahr. Auslöser solcher Einflüsse aber ist heute häufig der Mensch, wenn er den Fledermäusen etwa im Sommer die naturnahen Wälder und im Winter die Felshöhlen nimmt, in denen sie in diesen Jahreszeiten leben.