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Fliegen mit der Kraft der Sonne

Von Heiner Boberski

Wissen

Maschine mit der Spannweite einer Boeing und dem Gewicht eines Kleinwagens. | Bertrand Piccard: Gespeicherte Energie hätte für einen weiteren Nachtflug gereicht. | Wien. "Solar Impulse HB-SIA", das Solarflugzeug des Unternehmens Solar Impulse, hat einen Meilenstein in der Luftfahrt gesetzt. Erstmals blieb ein mit Sonnenenergie betriebenes Flugzeug länger als 24 Stunden in der Luft und schaffte auch den ersten solaren Nachtflug. Der Initiator des Projekts, der Schweizer Wissenschafter und Abenteurer Bertrand Piccard, will auf diesem Weg das Bewusstsein für umweltfreundliche Energien schärfen. | Weltrekorde bereits im Blut | Solartechnik für jedermann


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Bis die noch sehr junge Technik generell für die Luftfahrt genutzt werden kann, werden jedoch noch etliche Jahre vergehen. Dass die Zukunft der Luftfahrt (auch) eine solare sein wird, steht jedoch außer Frage. Neben Überlegungen des Umweltschutzes werden dabei auch ökonomische Aspekte eine immer stärkere Rolle spielen. Denn Sonnenenergie wird wohl länger vorrätig sein als Erdöl.

Auf dem Weg dorthin sind jedoch noch etliche technische Bereiche zu optimieren. Solarflugzeuge werden mithilfe eines Elektromotors betrieben, der durch Solarenergie gespeist wird. Entscheidend für den Erfolg sind daher ein möglichst effizienter Antrieb, ein leichtes Fluggerät, zahllose leistungsfähige Solarzellen sowie Akkus von extrem hoher Kapazität. Neben der momentan sehr geringen Transportkapazität der Solar-Flugzeuge sind sie auch in Sachen Geschwindigkeit weit von herkömmlichen Flugzeugen entfernt. Über den aktuellen Rekordflug gibt es diesbezüglich noch keine Daten, bei bisherigen Solar-Testflügen lag die erreichte Geschwindigkeit jedoch um die 50 Stundenkilometer.

Um die technische Entwicklung voranzutreiben, plant Bertrand Piccard noch heuer einen 36-Stunden-Flug mit dem gleichen Modell. Danach wird Solar Impulse ein neues Flugzeug mit einer für echte Langstreckenflüge ausgestatteten Pilotenkanzel bauen. Ab 2012 sind weitere Pioniertaten in der Solarluftfahrt geplant: mehrtägige Flüge, eine Atlantiküberquerung und schließlich eine Weltumrundung in voraussichtlich fünf Etappen. Für das gesamte Projekt sind etwa 75 Millionen Euro veranschlagt. Solar Impulse ist klar, dass die Batterien des nächsten Modells eine deutlich höhere Kapazität haben müssen, doch über technische Details hüllt man sich noch in Schweigen.

Denn auch die Konkurrenz schläft nicht: Bei den wesentlich leichteren, kleineren unbemannten Solarflugzeugen ist beispielsweise die britische Firma QinetiQ führend. Ihr Modell Zephyr (mit 18 Metern Spannweite und einer Masse von 30 bis 34 Kilogramm) erreichte inoffiziell Ende 2008 eine Flugzeit von 82 Stunden und 37 Minuten in Höhen von bis zu 18.000 Metern.

Den jüngsten Rekord in der bemannten Solarluftfahrt setzte jedenfalls Solar Impulse. Um 9 Uhr früh landete am 8. Juli der Pilot Andre Borschberg mit Bertrand Piccard Gründer von Solar Impulse auf dem Militärstützpunkt Payerne im schweizerischen Kanton Waadt, von wo aus er 26 Stunden vorher aufgebrochen war. Voraussetzungen für den Flug waren ein regenfreies Wetterfenster und gute Windverhältnisse. Der Flieger habe nach dem Start so viel Sonnenenergie getankt, dass sogar noch ein weiterer Nachtflug möglich gewesen wäre, sagte Bertrand Piccard nach der Landung.

Das Modell "Solar Impulse HB-SIA" absolvierte am 7. April 2010 mit dem Piloten Markus Scherdel seinen ersten Testflug und wurde seither mehrfach erprobt. Der erste 24-Stunden-Flug war schon vor einer Woche geplant, musste aber verschoben werden, da ein wichtiger elektronischer Bestandteil ausgefallen war.

Nutzung von "Höhenenergie"

Die Maschine hat eine Spannweite von 63 Metern, was fast einer Boeing entspricht, wiegt aber dank eines Karbonfasergerüsts nur so viel wie ein Kleinwagen: 1600 Kilogramm. Auf der Oberfläche der Flügel sind 12.000 Silizium-Zellen eingelassen, sie absorbieren die Sonnenenergie und speisen sie in die Lithium-Akkus des Flugzeugs ein. Diese wiederum versorgen die vier Motoren der Maschine mit Strom. Das Geheimnis des Erfolges bestand darin, am frühen Morgen zu starten und den ganzen Tag in einer Flughöhe von 8500 Metern Sonnenenergie zu tanken. Neben dieser gespeicherten Energie wurde auch noch "Höhenenergie" als potentielle Energie genutzt: Mit nachlassendem Sonnenlicht sank der Flieger auf 1500 Meter Flughöhe und flog dann die Nacht hindurch akkubetrieben weiter.