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Flimmernde Helden

Von Gerald Schmickl

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Die Generation der heute Dreißigjährigen, um die und deren Sozialisation neuerdings so viel kommerzieller Wind gemacht wird, war eine der ersten, die regelrecht mit dem Fernsehen aufwuchs. Daher

gehören TV-Serien wie "Bonanza", "Verliebt in eine Hexe" oder "Immer wenn er Pillen nahm" zu den elementarsten Jugenderinnerungen: TV-Figuren als buchstäbliche große Brüder (und Schwestern).

"Wer schaut nicht gern Helden zu und über die Schulter? Vor allem, wenn man, wie auch ich, mit Helden groß geworden ist. Nicht mit supertollen Brüdern oder Freunden, nicht mit befreundeten Stars oder

verwandten Siegern, sondern mit den Helden der bannenden Flimmerkiste", bekennt der deutsche Publizist Volker Hürdler in dem Buch "Ein Herz und eine Serie" (Reclam, Leipzig), einer illustren Sammlung

von "Fernseh-Geschichten", in denen sich großteils 30-jährige Autorinnen und Autoren an ihre Lieblingsserien erinnern.

Manche freilich nur ungenügend · wie Helge Hopp, der nicht einmal mehr weiß, ob in "Kottan ermittelt" eine defekte Kaffeemaschine oder "geklaute Wurstbrote" der running gag war (natürlich die

Kaffeemaschine!). Unterhaltsamer sind da schon die intellektuellen Ausflüchte, die die "Raumschiff Enterprise"-Fachfrau Marina Dietz aus ihrem Bekanntenkreis auflistet: So waren dem einen die

"witzigen bildungsbürgerlichen Wort- und Bildzitate" angeblich Grund für seine genierte Schaulust, der anderen die ungenierten amerikanischen "Schmalspurphilosophien".

Heutzutage braucht die Lust und Sucht, sich den Alltag mit flimmernden Helden zu teilen, keinerlei Legitimation mehr, wenn Abertausende im Internet ihre intimsten "Wickie"-Fantasien austauschen.