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Flosse statt Schraube

Von Eckart Granitza

Wissen
Britta Abé mit der entkleideten Konstruktion des Fischroboters "Smoky". Foto: Granitza

Umweltbelastung und Energieaufwand wären geringer. | Wer könnte sich wohl effektiver und eleganter durch das Element Wasser bewegen als die dort seit Jahrmillionen lebenden Fische? Sie haben im Laufe der Evolution die kraftsparendsten Antriebsmechanismen entwickelt, die im nassen Element möglich sind. Deshalb haben Zoologen der Universität Bonn Forellen in einem Strömungskanal gefilmt und die Bewegungskoordinaten auf dem Computer dreidimensional dargestellt. So wollen sie hinter das Geheimnis der Schwimmbewegungen des Fisches kommen.


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Je nach Fischart und Erfordernissen können die unterschiedlichen Bewegungsmuster der Fische zu hoher Manövrierbarkeit, starken Beschleunigungen oder ausdauernden Wanderungen im Wasser befähigen, erklärt der Bonner Zoologe Horst Bleckmann.

Die Beobachtungen der Bonner Forscher um Bleckmann beeindrucken: Schon bei einer einfachen, in regelmäßigen Wellen verlaufenden sogenannten laminaren Strömung ist erstaunlich, wie wenig Muskelkontraktion und damit Energie die Forelle beim Schwimmen verbraucht. In Flüssen und Bächen gibt es aber oft keine reine laminare Strömung, sondern es liegen Steine, Äste oder Baumstämme herum, die wie Hindernisse wirken und in ihrem Rückraum Strömungswirbel verursachen.

Um diesem natürlichen Lebensraum der Forelle so nahe wie möglich zu kommen, haben die Bonner Wissenschafter einen Zylinder in den Strömungskanal gesetzt, der ebenso als Hindernis fungiert. Das Ergebnis ist verblüffend: Mittels ihrer Körperstellung und Bewegung nutzt die Forelle die entstehenden Strömungswirbel so optimal aus, dass sie bis zu 95 Prozent ihrer Bewegungsenergie einsparen kann.

Dieses uralte Wissen der Fische haben der Biologe Bernhard Köhler und die Physikingenieurin Britta Abé von der Technischen Universität Darmstadt bei der Konstruktion ihres Fischroboters "Smoky" genutzt. Er macht ähnliche Bewegungen wie ein echter Fisch: Während sich Kopf und Mittelstück nur wenig bewegen, bewegt sich das Hinterteil mit seiner Flosse in weit ausholenden Schwingungen.

Das Ziel der Darmstädter Ingenieure: das Bewegungsmuster der Fische für einen Schiffsantrieb zu nutzen, der statt einer Schraube eine künstliche Hinterflosse benutzen soll - die sogenannte Schlagflosse. "Dafür haben wir von Servomotoren angetriebene Segmente konstruiert, die wir hintereinander auf einem Schlauch angeordnet haben, der sozusagen als Wirbelsäule dient. Die Segmente mit den Servomotoren verdrehen sich gegeneinander und erzeugen so eine Welle, die über den Körper läuft und damit die schlängelnde Bewegung des Fisches nachahmt", erklärt Abé.

Um herauszufinden, welches Bewegungsmuster sich für einen solchen Antrieb am besten eignet, testen die Darmstädter Forscher unterschiedliche Schwimmtechniken in einem Kanal. Nach allen bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Publikationen würde ein Fischflossenantrieb viel weniger Energie als eine Schiffsschraube verbrauchen, weiß Bernhard Köhler. Außer der enormen Energieeinsparung hat ein Schlagflossenantrieb einen weiteren großen Vorteil: Er ist deutlich umweltfreundlicher als eine Schraube. Die Schrauben zerhacken oft Wassertiere und -pflanzen.

Zudem wühlt der rotierende Wasserwirbel der Schrauben die Sedimente dermaßen auf, dass die dort oft abgelagerten Giftstoffe wieder ins Wasser gelangen und im Extremfall ein massenhaftes Fischsterben auslösen können. "Schiffsschrauben schaden auch Ufergebäuden", sagt Köhler. "Denn sie spülen den Mörtel zwischen den Bausteinen heraus, was beispielsweise in den engen Kanälen Venedigs zu Schäden in Millionenhöhe führt."

Der Antrieb von Smoky ist freilich derzeit noch zu unausgereift und langsam, um eine Schiffsschraube wirklich zu ersetzen. Deshalb bauen die Darmstädter Ingenieure auch schon an Nachfolgemodellen, bei dehnen sie noch viel spezieller auf die Mechanik eingehen, die den Bewegungsabläufen der lebendigen Fische zugrunde liegen. Dafür seziert Köhler die verschiedensten Fische, wie Makrelen, Forellen oder Doraden. So kann er die Strukturen von Muskeln, Bindegeweben und Skelett genau erkennen und analysieren.

Danach übersetzt er die biologischen Strukturen auf dem Computer in ein CAD(computer aided design)-Modell, das er beliebig umzeichnen und modifizieren kann. Mit der CAD-Zeichnung als Vorlage baut er gerade einen Fischroboter, der aus Hunderten von Gelenken und Drähten sowie aus mit Druckluft betriebenen Kolben besteht, die als Muskeln fungieren. Diese mit Druckluft betriebenen schlagartigen Bewegungen entsprechen viel mehr der echten Fischbewegung als die eher runden Bewegungen der rotierenden Servomotoren, erklärt Köhler.

In der Praxis würde der Flossenantrieb wohl noch etwas anders aussehen als die Versuchsroboter. Kein ganzer Fischkörper, sondern nur zwei, drei Schwanzsegmente und die Flosse - mit Gelenken an den Bootsrumpf montiert. Bis die neue Entwicklung praxistauglich ist, wird es freilich noch etwas dauern. Dann soll sie zunächst an kleineren Booten von bis zu zehn Metern Länge erprobt werden. Später können sich die Wissenschafter den Antrieb aber auch für größere Boote und die gewerbliche Schifffahrt vorstellen.