Spekulant habe Weisungen der Bank missachtet. | Flöttl verweist auf unerwartete Entwicklungen und räumt Fehler ein. | Zwettler zweifelte an Flöttl-Strategie. | Wien. Von 1987 bis 1994 habe er Sondergeschäfte für die Bawag getätigt und diese mit Erfolg abgeschlossen, sagte Investmentbanker Wolfgang Flöttl am Mittwoch, als er von Richterin Claudia Bandion-Ortner unter Ausschluss der übrigen Angeklagten im Bawag-Prozess zu seiner Sicht des Zustandekommens der Spekulationsverluste befragt wurde.
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1995 sei er vom damaligen Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner angesprochen worden, die Geschäfte wieder aufzunehmen, da die Bawag angesichts einer schwachen Bilanz neue Einnahmequellen gesucht habe. Bis zum Herbst 1998 habe er, so Flöttl weiter, Gewinne gemacht. Dann allerdings sei, ausgehend von einer Finanzkrise in Russland, die Asienkrise ausgebrochen, von der unter anderem auch ganz große Investmentfirmen betroffen gewesen seien. So habe etwa die von "absoluten Genies" geführte US-Firma Long Term Capital Management innerhalb von zehn Tagen vier Milliarden Dollar verloren.
Nur 13 Millionen übrig
Damals, Anfang Oktober 1998, habe der japanische Yen gegenüber dem Dollar 25 Prozent an Wert eingebüßt. "Dank dieser gewaltigen Währungsbewegung ist uns in wenigen Tagen dieser Verlust passiert", sagte Flöttl. Konkret verlor die Bawag damals 693 Millionen Dollar, Flöttl selbst 120 Millionen. Zwar habe er keine persönliche Haftung für die Bawag-Gelder übernommen, dennoch sei ihm seine "im deutschen Sprachraum einzigartige Kunstsammlung abgenommen" worden. Dies sei nicht freiwillig, sondern unter Druck passiert, so der Investmentbanker. In der Folge habe ihm die Bank weitere Gelder zukommen lassen, in der Hoffnung, über Kursoptionen den Verlust wettzumachen. "Wenn sich der Dollar nur um zehn Prozent zurückbewegt hätte, wären die gesamten Verluste ersetzt worden", diese Rechnung sei jedoch leider nicht aufgegangen. Diese Optionsstrategie kostete die Bawag schließlich weitere 477 Millionen Dollar. Auch ein weiterer Versuch, mittels 430 Millionen Euro über sogenannte Uni-Bonds die Verluste zu kompensieren, schlug fehl. "Sämtliche Gelder mit Ausnahme von 13 Millionen US-Dollar sind verlorengegangen. Die waren am Ende noch da. Der Rest ist verloren", schloss Flöttl. Wer schuld sei an den Verlusten? Zwar gestand Flöttl ein, Fehler bei Investmententscheidungen gemacht zu habe, die Hauptschuld tragen für den Wahl-New-Yorker jedoch die internationalen Finanzmärkte, die sich zweimal völlig anders als erwartet entwickelt hätten.
Eine ganz andere Sicht der Dinge vertrat HelmutElsner, als er seine Version der Chronologie der Verluste erzählte. Zwar räumte auch er ein, dass es sich bei den Verlusten von 1998 um ein "Unglück" gehandelt habe - "Wir konnten hier keinen kriminellen Akt erkennen" -, für die Spekulationsverluste nach 1998 trage aber Flöttl die Schuld. Dieser habe schriftliche Weisungen der Bank missachtet und alles Geld "in einen Topf geworfen" - sprich: ausschließlich auf den Yen gesetzt.
Ein gebrochener Mann
Als schließlich im Jahr 2000 der Totalverlust eingetreten sei, habe Flöttl wie ein "gebrochener Mann" gewirkt und angedeutet, dass er sich das Leben habe nehmen wollen, sagte Elsner.
Nicht nur bei der Schuldfrage, auch bei der Übertragung von Flöttls Privatvermögen an die Bawag als Folge der ersten Spekulationsverluste unterschieden sich die Aussagen Elsners und Flöttls deutlich. Elsner gab an, dass WolfgangFlöttl, dessen Aussage er nicht gehört hatte, seine Kunstsammlung und Liegenschaften von sich aus freiwillig angeboten hätte.
Nach den Verlusten habe, so Elsner, der Vorstand das weitere Vorgehen beraten. Schließlich habe man Flöttl ein - mittlerweile widerrufenes - Geständnis unterschreiben lassen. Außerdem habe er Flöttl dazu veranlasst, dem Bawag-Aufsichtsratspräsidenten Weninger persönlich die Vorgänge zu schildern, so Elsner. Weninger sitzt ebenfalls auf der Anklagebank.
Alles auf eine Karte
Zuletzt wurde am gestrigen Prozesstag, den die Richterin aus Rücksicht auf die große Hitze zu Mittag abbrach, Elsners Nachfolger als Bawag-Chef, Johann Zwettler, zu den Verlusten befragt. Zwettler gab an, zwar von den Währungsgeschäften Flöttls gewusst zu haben, der Umfang sei ihm jedoch nicht bewusst gewesen. Die Verluste von 1998 seien zwar ein Schock gewesen, dennoch sei die Stimmung in der Bank pro Flöttl gewesen, zumal erklärt worden sei, dass das Vermögen des Investmentbankers die Verluste der Bawag überstieg. Später seien ihm Zweifel an Flöttls Strategie gekommen, immer nur auf eine Karte zu setzen: im Jahr 1998 auf fallende Yen-Kurse, zwei Jahre später auf steigende Yen-Zinsen. "Ich habe mich gefragt, muss man wirklich alles auf nur ein Produkt setzen?", sagte Zwettler, der sich bei der Schuldfrage nicht festlegen wollte.